Die Nationalbank hat ihre Erwartungen im Vergleich zum Dezember deutlich angepasst. Die Verbraucherpreise dürften heuer um sieben Prozent zulegen, erwartet die OeNB in ihrer heute, Freitag veröffentlichten Prognose. Im Dezember war sie noch von 2,7 Prozent, im April von 5,6 Prozent ausgegangen. Das Wirtschaftswachstum dürfte heuer mit 3,8 Prozent relativ stark bleiben, das sei vor allem auf einen Wachstumsschub Ende 2021 zurückzuführen. Die Arbeitslosigkeit ist rückläufig.
Mit einer Stagflation, also hoher Inflation bei stagnierender Wirtschaft, sei nicht zu rechnen, sagte OeNB-Gouverneur Robert Holzmann. Die Inflation wird aber die Haushalte hart treffen. Denn die Reallöhne, also das um die Inflation bereinigte Arbeitseinkommen, dürfte heuer um 2,5 Prozent und damit "historisch stark" zurückgehen. Seit den 1950er Jahren habe es einzig 1997, damals aber wegen Abgabenerhöhungen, einen so hohen Reallohnrückgang gegeben, sagte OeNB-Chefprognostiker Gerhard Fenz. Dennoch dürfte wegen der steigenden Beschäftigung das kumulierte Einkommen der Haushalte in Österreich stagnieren - und die Konsumausgaben der privaten Haushalte dürften sogar deutlich zulegen und damit die Konjunktur stützen. Das wird allerdings nur durch den Rückgang der Sparquote und die Ausgabe von krisenbedingt zurückgelegtem Geld möglich.
Normalisierung in den kommenden Jahren
Zwar haben Energiepreise fast die Hälfte der Inflation verursacht, aber auch Nahrungsmittel und Industriegüter haben mit je 1,2 Prozentpunkten zur Teuerung beigetragen. Die österreichische Kerninflation ist deutlich gestiegen und wird ab 2023 der entscheidende Treiber für die Inflation. Die Nationalbank geht aber davon aus, dass die Inflationsrate in Österreich 2023 wieder auf 4,2 Prozent und 2024 auf 3,0 Prozent zurückgeht - in der gesamten Eurozone sollte es bis dahin sogar eine Normalisierung bei 2,1 Prozent geben.
Die Inflation führt auch zu einer Entschuldung des Staates. Schon heuer sollte der Schuldenstand knapp unter 80 Prozent des BIP fallen, 2023 dann auf 75,9 Prozent und 2024 auf 73,1 Prozent. Der Effekt der Inflation sei dabei "sehr groß", so OeNB-Chefökonomin Birgit Niessner. Das Budgetdefizit erwartet die OeNB heuer bei 2,6 Prozent des BIP und in den Folgejahren bei 1,2 beziehungsweise 0,7 Prozent.
Die Ankündigung der EZB, die Zinsen im Juli um vorerst nur 0,25 Prozentpunkte zu erhöhen und dann im September in Abhängigkeit der nächsten Prognosen weitere Schritte zu setzen verteidigte Holzmann. Zugleich machte er deutlich, dass er jetzt schon für einen stärkeren Schritt - eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte - gewesen wäre. Auch im September wäre er für ein kräftiges Zinserhöhungszeichen von mindestens 0,5 Prozentpunkten, wenn sich die Inflation bis dahin nicht deutlich reduziert hat. Aber Zinsmaßnahmen seien "eine Reise" und man müsse die Reaktion der Finanzmärkte beachten. Auf die gestrige Ankündigung der EZB hätten die Märkte sehr gut reagiert. Die Schätzungen laufen darauf hin, dass es einen "Gleichgewichtszinssatz" der EZB bei etwa 1,5 Prozent gibt. Sollte die Inflation hartnäckig sein, müssten die Zinsen darüber hinaus steigen.
Wichtig sei aber, dass die Erhöhung der Zinsen nur eine von drei Maßnahmenbündeln sei, die die EZB nutzen könne. Viel wichtiger seien in den letzten Jahren die Anleihenkaufprogramme gewesen, die nun endgültig auslaufen.