Die Inflation ist zuletzt emporgeschnellt. Im Mai verzeichnete die Statistik Austria laut Schnellschätzung einen Wert von 8,0 Prozent - nach einem stetigen Anstieg seit Herbst 2021. Die Kostenexplosion sei vor allem von einkommensschwächeren Haushalten schwerer zu bewältigen, sagte Josef Baumgartner vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) im Gespräch mit der APA. Die einkommensbezogene Inflationsrate falle für diese derzeit jedoch nicht unbedingt höher aus, so der Experte.
"Die relative Belastung für diese Gruppen durch die Teuerung ist höher, weil sie im Vergleich zu Besserverdienern einen wesentlich größeren Teil ihres Einkommens für notwendige Güter ausgeben, auf die sie nicht verzichten können." Hinzu komme, dass "die untersten 20 Prozent der Haushalte de facto aufgrund der geringen Einkommen keine Ersparnisse bilden und damit die Puffer fehlen, um die Mehrausgaben zu stemmen."
Statistischer Durchschnittshaushalt als Grundlage
Allgemein sei es aber schwer festzustellen, wie stark die Teuerung auf einen einzelnen Haushalt konkret durchschlägt. Denn dem Verbraucherpreisindex (VPI), auf dessen Basis die Inflationsrate ermittelt wird, liege ein statistischer Durchschnittshaushalt zugrunde. Dieser werde als Mittel von sehr diversen Konsummustern der verschiedenen Haushalte auf Basis der Konsumerhebung gebildet, erklärte Baumgartner.
Konkret wird aus 770 Gütern und Dienstleistungen das Verhalten eines durchschnittlichen Haushalts errechnet. Die Teuerungsrate wird dann durch einen Jahresvergleich der Preise für diese verschiedenen Posten, etwa Energie, Mieten und Lebensmittel, errechnet. Jüngst erwiesen sich vor allem die Bereiche Energie und Treibstoffe als Inflationstreiber.
Geringverdiener: Höherer Anteil für Essen und Wohnen
Die zusätzliche Kostenlast durch die Teuerung für einen einzelnen Haushalt hänge folglich davon ab, wie der individuelle Warenkorb gestaltet ist und in welchen Bereichen die Preise besonders stark angezogen haben. "Für jemanden, der im ländlichen Raum wohnt, mit dem Auto pendeln muss und mit Öl heizt, ist die Belastung momentan wesentlich höher als für jemanden, der in der Stadt lebt, mit Fernwärme versorgt wird und mit den Öffis zur Arbeit fährt", illustrierte es Baumgartner anhand eines Beispiels.
Wenn man die Konsummuster nach dem Haushaltseinkommen näher betrachtet, zeigt sich, dass Geringverdiener einen deutlich höheren Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel und Wohnen aufwenden. Nach den aktuellen Daten von Statistik Austria zu den Preisveränderungen in den Detailpositionen des VPI wurde für Mieten in den vergangenen Monaten ein Minus ausgewiesen. Das bedeutet, dass diese im Vergleich zum Vorjahr gesunken sind und damit zuletzt inflationsdämpfend gewirkt haben.
In Bedrängnis
Auch die Lebensmittelpreise sind laut Statistik Austria im Jahr 2021 mit plus 0,8 Prozent deutlich schwächer angestiegen als die allgemeine Teuerung - erst seit Jahresbeginn 2022 zogen diese ähnlich stark wie die allgemeine Inflationsrate an. "Errechnete man auf dieser Grundlage eine einkommensbezogene Inflationsrate für einkommensschwächere Haushalte, würde diese derzeit geringer ausfallen als die allgemeine Teuerungsrate", schätzt der Kenner.
Das bedeute jedoch nicht, dass Geringverdiener die Teuerung weniger hart trifft. Im Gegenteil: "Wenn sie schon vor der Teuerungswelle mit ihrem Einkommen gerade die notwendigsten Ausgaben bestreiten konnten, führt schon eine etwas stärkere Teuerung dazu, dass sie in Bedrängnis kommen", meint Baumgartner.
Bei diesen Überlegungen müsse man aber bedenken, dass Statistik Austria bei der Erfassung der Mietpreise ihre Erhebungsmethode geändert hat. Dadurch würden die Nettomietaufwendungen aktuell etwas niedriger als bei den früheren Erhebungen ausgewiesen. Das erkläre den zuletzt erfassten Rückgang der Mieten im VPI, da momentan noch Daten gemäß der alten Erhebungsmethode als Vergleichsmaßstab dienen würden.
Erhöhung der Richtwertmieten noch nicht berücksichtigt
In der aktuellen Inflationsrate sei außerdem die Erhöhung der Richtwertmieten ab April (bei der Neuvermietung) bzw. Mai (bei Bestandsverträgen) noch nicht berücksichtigt - diese gehen erhebungsbedingt erst mit drei Monaten Verzögerung in den VPI ein. Nach der Einschätzung Baumgartners dürften die Mieten im VPI aufgrund der genannten Punkte bald ein deutliches Plus aufweisen.
Bei Lebensmitteln erwartet er im weiteren Jahresverlauf noch Zuwächse, da in diesem Bereich "die Effekte des Ukraine-Krieges großteils noch nicht eingepreist sind". Zusätzlich sei für Gas und Strom auf Grundlage der aktuellen Preisentwicklungen im europäischen Großhandel ab Herbst bzw. Anfang nächsten Jahres mit einer weiteren Verteuerung zu rechnen. "Vor allem für Haushalte mit niedrigen Einkommen werden die Belastungen zunehmend schwieriger zu verkraften sein und weitere rasche Unterstützungen notwendig machen", sagte Baumgartner.