Das Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) hat kurzfristige Handlungsweisen bei einer Gasreduktion analysiert und einige Beispiele aufgezeigt. Diese seien als Debattenbeitrag zu sehen, um den volkswirtschaftlichen Schaden möglichst gering zu halten und gleichzeitig die angestrebte grüne Transformation "zumindest nicht auszubremsen". Es dränge jedenfalls die Zeit, denn insbesondere der Verteilungsmechanismus für die Wirtschaft sei sehr komplex.

Für die Haushalte merken die Wirtschaftsforscher an: "Über die Gestaltung von Tarifen können für Nachfragereduktionen wirksame Anreize gesetzt werden." Wobei in Österreich der mit Abstand größte Verbraucher der Wirtschaftssektor ist.

Dem Energielenkungsgesetzes folgend sei davon auszugehen, "dass der marktwirtschaftlich organisierte Handel mit Erdgas durch eine (zumindest partielle) Bewirtschaftung der knappen Ressource seitens der öffentlichen Hand ersetzt wird". Eine signifikante Reduktion der gelieferten Gasmengen würde jedenfalls "nicht nur die Lebensbedingungen vieler Haushalte verschlechtern, sondern darüber hinaus zu signifikanten wirtschaftlichen Konsequenzen führen", schreibt das Wifo in der Studie.

Jeder sieht sich als systemkritisch

Österreich sollte zur Sicherung der Erdgasversorgung viel genauere Notfallpläne vorbereiten und Sparaufrufe auch für Haushalte vornehmen. Dafür sprach sich Wifo-Ökonom Jürgen Janger am Donnerstag aus. Sowohl für Unternehmen als auch Haushalte sollte es Bonusmechanismen für eine Gasverbrauchsreduktion geben. Auch Tarife, die zum Sparen animieren, sollte man sich überlegen.

Bereits für den kommenden Herbst sollte es "fertige Modelle" sowie geeignete Mechanismen und Anreize zum Sparen geben, forderte Janger im Ö1-"Morgenjournal" des ORF-Radios. Das könne im Herbst helfen, sollte es zu einer Gasknappheitssituation kommen. Auch sollte die Regierung jetzt schon vorbereiten bzw. sich überlegen, wie eine mögliche Versteigerung von Gas aussehen könnte, es gehe um effiziente Mechanismen für die Verteilung eines knappen Gutes.

Es werde sich im Ernstfall wohl jede Industrie, jede Branche als systemkritisch ansehen, meinte dazu Wifo-Chef Gabriel Felbermayr im Radio. Klar sei aber, dass die Stromversorgung sehr hoch priorisiert werden müsse, weil ganz viel dran hänge: "Ohne Gas kann die Stabilität der Netze nicht gewährleistet werden in Österreich und in Deutschland." Man werde sich fragen müssen, wie die Medizinversorgung klappt, Krankenhäuser und so weiter. Dann werde es schon schwierig. So seien etwa Medikamente zwar lebensnotwendig, man könne sie aber auch importieren. Als Erstes werde man wohl beheizte Schwimmbäder abdrehen, ohne die komme man auch gut durch den Winter.

Ersatz durch Flüssiggas nicht leicht zu beschaffen

Ob sich alle nötigen Gas-Vorkehrungen bis Herbst ausgehen, hänge in Wahrheit gar nicht an Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne), so der Wifo-Chef: "Sie hat jetzt die Vorkehrungen getroffen, damit das regulatorisch funktionieren kann, aber das Gas muss nach Österreich kommen. Wenn morgen der Gashahn abgedreht wird oder wenn eine Leitung zerstört wird auf dem Weg von Russland nach Österreich, dann wird das schwer. Der Ersatz durch Flüssiggas ist nicht leicht zu beschaffen. Das müsste ja über Italien gehen oder über Flüssiggasterminals aus Westeuropa. Das ist gar nicht einfach." Natürlich sei da auch "ein Run eingetreten", da alle Ersatz für russisches Gas bräuchten: "Das macht es schwer – das macht es auch teuer", so Felbermayr.

Prioritäten definieren

Für den Wirtschaftssektor bringen die Forscher zwei Debattenbeiträge ein: ein hybrides Allokationsverfahren und einen reinen Versteigerungsmechanismus. Ersteres identifiziert zunächst Güterklassen mit unterschiedlicher Priorität und setzt innerhalb dieser Klassen dann einen Versteigerungsmechanismus ein, der einerseits die Erdgasintensität und andererseits die Substituierbarkeit der Güter berücksichtigt. Die zweite Variante stellt das gesamte Erdgaskontingent zur Versteigerung, ohne dass eine Priorisierung zur Anwendung kommt.

Grundsätzlich geben die Autoren zu bedenken: "Die konkrete Ausgestaltung des Auktionsdesigns ist nicht trivial, da Interdependenzen zwischen den Unternehmen zu berücksichtigen sind." Für eine praktische Implementierung seien vertiefte Analysen notwendig, mit den Vorbereitungen sollte "jedenfalls ehest möglich begonnen und unterschiedliche Szenarien berücksichtigt werden, etwa abhängig von der Frage, ob Gashandel weiterhin möglich sein wird".

Anreizsysteme für Verbrauchsreduktionen

Zu den Anreizsystemen für Verbrauchsreduktionen nennen die Forscher auch hier zwei Beispiele als Debatten-Anstoß. Die erste Option ist ein Bonussystem für eine nachgewiesene Verbrauchsreduktion. Das zweite Beispiel ist die Einführung von spezifischen Tarifstrukturen – sprich mit integrierten Anreizen zu Verhaltensänderungen sowohl der konsumierten Mengen als auch hinsichtlich einer zeitlichen Anpassung des Verbrauchs an die aktuelle Netzauslastung.

Ein Vertragsmodell wäre beispielsweise die Akzeptanz einer limitierten Bezugsmenge, wenn gleichzeitig ein begünstigter Tarif angeboten wird. Die Limitierung kann über eine mechanische Maßnahme stattfinden. Die administrative Umsetzung wäre jedoch im Vergleich zum oben beschriebenen Bonusmodell aufwendiger. Bei einer unilateralen Steuerung der Mengen bei Abnehmern nach einem definierten Ausmaß bei energieintensiven Geräten wäre die Installation entsprechender Steuerungselemente erforderlich sowie auch ein datenschutzkonformer Umgang mit den erforderlichen Informationen notwendig.

"Regelmäßiges Monitoring könnte helfen"

In den Schlussfolgerungen halten die Wifo-Autoren in ihrem "Research Brief" fest: "Das Risiko einer bevorstehenden signifikanten Einschränkung der Gasverfügbarkeit in Österreich ist hoch." Die geschilderten Handlungsoptionen sollen die Debatte und weitere, detailliertere Analysen anstoßen, im Fokus vertiefter Studien müsste auch die Umsetzbarkeit der Verfahren bis spätestens Herbst 2022 stehen.

Wie es gehen könnte, beschreibt das Wifo so: "Schon jetzt könnte zudem ein regelmäßiges Monitoring helfen, etwa auf monatlicher Basis, wie viele erneuerbare Energiequellen ans Netz gehen, wie viel Gas etwa gegenüber dem Durchschnitt der Vergangenheit eingespart wurde, welche alternativen Liefermengen kontrahiert wurden, um klare Fortschritte zu dokumentieren und die Planbarkeit der Folgen eines Gasstopps zu verbessern, insbesondere durch eine Konkretisierung der zu erwartenden Gasverknappung z.B. in Prozent eines durchschnittlichen Jahresverbrauchs."