Das Finanzministerium hat die angekündigte Prüfung einer Gewinnabschöpfung begonnen, nachdem Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) eine solche bei teilstaatlichen Stromunternehmen wie dem Verbund oder der EVN ins Spiel gebracht hatte. In dem am Freitag verbreiteten Statement nannte das ÖVP-geführte Ministerium die Preisentwicklung des aus erneuerbarer Energie gewonnenen Stroms als "schwer nachvollziehbar".

"Aufgrund der aktuellen Strom-Gaspreis-Kopplung profitieren derzeit auch Stromunternehmen von den steigenden Gaspreisen, deren Stromproduktion zu einem überwiegenden Anteil aus erneuerbarer Energie stammt. Diese aufgrund des Krieges außergewöhnliche Entwicklung ist insbesondere bei Energieunternehmen, an denen der Bund Anteile hält, schwer nachvollziehbar", hieß es in der Mitteilung. Ein Sprecher des Finanzministeriums stellte gegenüber der APA klar, dass man die derzeitige Art der Strompreisbildung nicht infrage stelle.

Verschiedene Vorschläge

In dem schriftlichen Statement heißt es weiter: "Im Auftrag des Bundeskanzlers prüfen wir daher aktuell verschiedene Vorschläge und Modelle, um hier zu einer Entspannung der aktuellen Entwicklung beizutragen. Klar ist: Der Staat soll nicht von der aktuellen Krise profitieren, während die Menschen unter stark steigenden Strompreisen leiden."

Nehammer hatte in einem am Donnerstag veröffentlichen Interview mit der "Tiroler Tageszeitung" gesagt: "Ziel muss sein, darauf zu achten, dass, wenn Unternehmen mit staatlicher Beteiligung große Gewinne erwirtschaften, die Eigentümer profitieren – und das sind am Ende die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Ihnen gehört dieses Unternehmen. ... Zufallsgewinne bei Unternehmen mit staatlicher Beteiligung gehören dem Volk und nicht den Unternehmen alleine. Da braucht es ein neues Reglement."

Fossilinflation

Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) verwies am Freitag auf bereits geschnürte Hilfspakete, um die hohen Energiepreise abzufedern und sagte: "Wir schauen uns selbstverständlich auch alle Maßnahmen und Möglichkeiten an, die es gibt, um hier auch mit weiteren Mitteln zielgerichtet unterstützen zu können." Auch Vizekanzler Werner Kogler äußerte sich in diese Richtung: "Was wir schon vor Wochen in Sachen Spritpreise thematisiert haben, gilt auch für Strom und Gas: Wir sollten ganz genau hinschauen und gegensteuern, wenn Konzerne von der Fossilinflation als Folge des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs profitieren. Es ist gut, dass das jetzt das gemeinsame Ziel mit dem Koalitionspartner ist", so Kogler. Er habe Vertrauen in Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), dass hier ein praktikabler Umsetzung-Vorschlag auf den Tisch kommt. "Und zwar mit dem Ziel, völlig ungerechtfertigte Übergewinne zugunsten der Allgemeinheit und insbesondere jener, die es ohnehin am meisten brauchen, abzuschöpfen."

Unterstützung erhält die Regierung bei der SPÖ, die darauf drängt, ein Paket vorzulegen, um Überschussgewinne von in der Krise profitierenden Unternehmen abzuschöpfen und zweckgewidmet für soziale Ausgleichsmaßnahmen umzuverteilen. Für die Neos agiert Kanzler Nehammer hingegen in Energiefragen völlig planlos. "Wenn Nehammer auf diesen Positionen verharrt, dann kann er sich überlegen, nächstes Jahr am 1. Mai mitzumarschieren", meinte Gerald Loacker. Für FPÖ-Chef Herbert Kickl hat Nehammer mit seiner Wortmeldung Staatseigentum beschädigt, die Regierung bräuchte lediglich die Dividenden zur Unterstützung der Menschen zu verwenden.

Aktienkurs gefallen

Die beiden teilstaatlichen börsenotierten Stromversorger Verbund und EVN haben nach Nehammers Ankündigung über 5,4 Milliarden Euro an Marktwert verloren. Da Verbund und EVN zu rund 80 Prozent in öffentlichem Eigentum stehen, reduzierte sich der Wert der von der öffentlichen Hand gehaltene Anteile beim Verbund um 4,1 Milliarden Euro und bei der EVN um 260 Millionen Euro.

Die Professorin und Vorständin des Instituts für Finanzrecht an der Universität Wien, Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, bezweifelte am Donnerstagabend im ORF, dass eine Gewinnabschöpfung rechtlich hält – sofern sie nur teilstaatliche Unternehmen betrifft. "Wenn man nur die teilstaatlichen Energieversorger erfassen würde, dann würde das natürlich eine Ungleichbehandlung bedeuten und den Grund dafür sehe ich nicht und daher wäre das auch verfassungsrechtlich nicht unproblematisch." Eine allgemeine Sondersteuer hingegen wäre zulässig, sagte sie auch im "Standard".

Florian Beckermann, Vorstand des Interessenverbands für Anleger (IVA), erinnerte den Kanzler, dass die öffentliche Hand aufgrund der Aktionärsstruktur ohnehin 80 Prozent abschöpfen könne. Für den Kapitalmarkt sei die Aussage dennoch "Gift" gewesen, weil es Vertrauen zerstört habe. Es baue niemand ein Windrad, wenn er sich nicht darauf verlassen könne, die Gewinne behalten zu dürfen.

Diesen Punkt spricht auch Martin Jaksch-Fliegenschnee von der IG Windkraft an. Wenn rückwirkend in den Markt eingegriffen wird, verschlechtere dies die Rahmenbedingungen für die Energiewende. Österreich habe bisher als relativ sicher gegolten, was die Investitionssicherheit betrifft. Wäre dies künftig nicht mehr der Fall, würde sich das negativ auf die Finanzierung von Windparks auswirken. "Interessant", so Jaksch-Fliegenschnee, sei auch, dass sich Nehammer in seiner Aussage nur auf Unternehmen bezogen habe, die die Energiewende und Energieunabhängigkeit vorantreiben und nicht auf Öl- und Gasfirmen, die ebenfalls durch den Ukraine-Krieg hohe Gewinne verzeichneten.

Der Preis für die Megawattstunde Strom wird an der Strombörse durch ein spezielles Auktionsverfahren, die sogenannte Merit-Order, ermittelt. Dies bedeutet, dass das teuerste Kraftwerk, das zur Deckung der Stromnachfrage benötigt wird, den Preis bestimmt. Derzeit ist dies meist ein Gas-Kraftwerk, weshalb die Gaspreise auf die Strompreise durchschlagen. Für eine Megawattstunde Strom werden rund zwei Megawattstunden Gas benötigt. Würde Österreich seinen Strombedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien decken können, würde der Gaspreis nicht mehr auf den Strompreis durchschlagen. An windigen Tagen zum Beispiel ist dies schon jetzt manchmal der Fall.