Die Aktie des Energiekonzerns Verbund hat am Donnerstagvormittag an der Wiener Börse satte Verluste aufgewiesen. Bis Börsenschluss rutschten die Titel um 13 Prozent auf 88,4 Euro ab. Als kursbelastend werteten Marktbeobachter Aussagen von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Die Bundesregierung denke darüber nach, wie Gewinne von Firmen mit Staatsbeteiligung, die überproportional von der Krise profitieren, gesetzlich abgeschöpft werden können.
Gewinne bei der Stromproduktion aus Wasserkraft
Als Beispiel nannte Nehammer in einem Interview mit der "Tiroler Tageszeitung" hohe Gewinne bei der Stromproduktion aus Wasserkraft, wo nun die hohen Gaspreise der Maßstab für den Strompreis sind. 51 Prozent des Grundkapitals vom Verbund befinden sich im Eigentum der Republik Österreich. Die Aktie des niederösterreichischen Stromversorgers EVN fielen um starke 5,66 Prozent. Das Land Niederösterreich ist mit 51,0 Prozent Mehrheitseigentümer der EVN.
Staatliches Krisenmanagement "schwieriger geworden"
Nehammer wies im Gespräch mit der "Tiroler Tageszeitung" auch auf Probleme bei privatisierten Unternehmen hin, die sich in Krisenzeiten zeigten. Staatliches Krisenmanagement sei "durch die Privatisierung von Infrastrukturunternehmen deutlich schwieriger geworden". Denn auch wenn der Staat an einem börsennotierten Unternehmen beteiligt sei, selbst mehrheitlich wie beim Verbund, gelte Aktienrecht vor staatlichen Zielen. "Wenn keine Krise ist, werfen diese Unternehmen Dividenden ab. In der Krise behindert uns diese Struktur aber. Wir müssen daher nachdenken, wie wir zu einem neuen Weg kommen", so Nehammer.
Kritik von Industrie und Aktienforum
Nehammers "nicht akkordierte Vorschlag, Gewinne von Energieunternehmen abzuschöpfen und das Aktienrecht infrage zu stellen, alarmieren das Aktienforum und haben in der heimischen Kapitalmarkt-Community für Entsetzen gesorgt", teilt das Aktienforum in einer Aussendung mit. „Solche Aussagen des Bundeskanzlers sind in der momentan schwierigen wirtschaftlichen Situation verheerend und schädigen den heimischen Kapitalmarkt enorm. Sie verursachen Verunsicherung und Vertrauensverluste“, so Aktienforum-Präsident Robert Ottel in einer ersten Stellungnahme. Ottel verweist auf die bereits heute eingetretenen Kursverluste. Er fordert ein "ein rasches Bekenntnis des Bundeskanzlers zum heimischen Kapitalmarkt und zur Börse, um weiteren Schaden abzuwenden".
Auch die Industriellenvereinigung (IV) meldet sich mit einem kritischen und besorgten Einwurf zu Wort. "Ad hoc-Eingriffe in den rechtlichen und steuerlichen Rahmen schädigen den Standort Österreich. Bereits die öffentliche Erwägung solcher willkürlichen Interventionen unterminieren das Vertrauen in die Planbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich und führen zur Investitionszurückhaltung." Wer Energieunternehmen den Investitionsspielraum nimmt, "hemmt
den Ausbau der Erneuerbaren Energien und ein Sinken der
Strompreise", so die IV in einer Aussendung.
Die SPÖ interpretierte die Aussagen von Nehammer als "Schuldeingeständnis der ÖVP" hinsichtlich der in den letzten Jahrzehnten vorangetriebenen Privatisierungen. Es sei zwar dringend notwendig, die übermäßigen Gewinne der Krisenprofiteure abzuschöpfen, so SPÖ-Industriesprecher Rainer Wimmer in einer Aussendung. Allerdings glaube er nicht, dass die ÖVP dazu in der Lage sei. Die Industriellenvereinigung hingegen zeigte sich besorgt aufgrund des Vorhabens. Derartige Interventionen würden nach Ansicht der Industrievertreter den Standort schädigen und den Investitionsspielraum für den Ausbau erneuerbarer Energien verkleinern.