Produktivität ist ein wesentlicher Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Deshalb ist es kein Zufall, dass die EU-Ratskommission den Ländern der Euro-Zone auch ihre systematische Beobachtung empfiehlt. In Österreich geht der neu konstituierte Produktivitätsrat jetzt an die Arbeit. Dessen Chef Christoph Badelt verspricht, das unabhängige Gremium zu einer Instanz in Österreich zu machen.
Der Rat will über die üblichen Fragen des Wirtschaftswachstums hinausblicken. "Wir werden einen breiten Begriff der Wettbewerbsfähigkeit wählen", so Badelt. Das sei wichtig, um auch Zielkonflikte beziehungsweise vermeintliche Zielkonflikte aufzeigen zu können. Das mit sieben ehrenamtlich arbeitenden Mitgliedern besetzte Gremium will dafür ein Gerüst aus verschiedenen Indikatoren zu einem Wettbewerbsradar aufbauen und insbesondere in der Startphase eng mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo zusammenarbeiten, dessen Chef Badelt bis 2021 war.
Badelt in Personalunion auch .an der Spitze des Fiskalrats
Badelt steht seit nunmehr einem Jahr dem Fiskalrat als Präsident vor, ist damit der wichtigste unabhängige Oberaufseher der öffentlichen Finanzen. Dass er nun den Produktivitätsrat in Personalunion führt, ist ebenfalls kein Zufall, sondern gewünscht, geht es doch um wissenschaftlich fundierte Empfehlungen an die Politik, die der Rat leisten soll. Seine Schaffung geht übrigens noch auf den ehemaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) zurück. Die öffentliche Hand kostet das Gremium, das wie der Fiskalrat in der Nationalbank angesiedelt ist, 200.000 Euro im Jahr.
Was kann der Produktivitätsrat inhaltlich liefern: Er wird Österreichs Wettbewerbsfähigkeit unter verschiedenen Gesichtspunkten darstellen wie Kosten, technologischer Fortschritt, Innovationsfreundlichkeit, Exportstärke, Globalisierung oder auch Deglobalisierung, Industriestrukturen, demografischer Wandel, ökologische und digitale Transformation. Badelt: "Wir wollen Mehrwert im politischen Kontext erzeugen." Man werde sicher auch manchmal Farbe bekennen müssen und auf aktuelle politische Entwicklungen reagieren.
Soziale Fragen und Umweltthemen auch im Fokus
Konkrete Ankündigungen wollte Badelt nicht machen, ließ aber durchblicken, dass soziale Fragen und Umweltthemen eine gewichtige Rolle spielen werden, weil etwa das wichtige Thema Klimaschutz durch die Pandemie und jetzt durch den Ukraine-Krieg Gefahr laufe, aus der öffentlichen Diskussion verdrängt zu werden. Hier gebe es weniger Zielkonflikte – Wachstum versus Klimaschutz – als landläufig angenommen, sondern viel Komplementäres, vor allem über Investitionen, so Badelt. "Im Idealfall können wir Zielkonflikte und mögliche Lösungen auch quantifizieren."
Die bis 2028 nominierten Mitglieder – mehr als die Hälfte davon sind Frauen – arbeiten weisungsfrei. "Wie viele Regierungen wir bis dahin erleben werden, weiß ich nicht", scherzte Badelt bei der Pressekonferenz am Dienstag. Man sei jedenfalls nicht parteipolitisch besetzt und werde seine Fahnen nicht nach dem Wind richten. Der emeritierte Wirtschaftsprofessor: "Die Ambition des Christoph Badelt ist: Aus diesem Produktivitätsrat kann man wirklich was machen. Wir haben nicht vor, in Frieden vor uns hinzudösen."
Claudia Haase