Die Inflation ist heuer so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr und wird auch nicht so rasch auf das von der EZB gewünschte Niveau von zwei Prozent zurückgehen, erwartet Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek: "Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben", sagte er am Donnerstag vor Journalisten. Nach heuer 6,5 Prozent sei kommendes Jahr mit 3,5 Prozent Teuerung zu rechnen. "Besorgniserregend" sei, dass die Inflation von der EZB nur als temporäres Phänomen abgetan wurde.
"Wenn man eine Gefahr unterschätzt, wird sie besonders präsent und längerfristig ein Problem", damit müsse man sich nun auseinandersetzen, so Brezinschek zu dieser Haltung der EZB. 90 Prozent der Unternehmen seien mit deutlich steigenden Preisen für ihre Vorleistungen konfrontiert und das seit zwei Jahren. So hohe Preissteigerungen in dem Bereich habe es zwar früher auch schon gegeben, aber nie über eine so lange Zeit.
Inzwischen würden zwar 80 Prozent der Unternehmen die gestiegenen Inputpreise weitergeben, aber nicht im gleichen Ausmaß. "Die Großhandelspreise, die mit 25, 30 Prozent derzeit nach oben galoppieren, verheißen nichts Gutes". Die Frage sei, ob Zweitrundeneffekte verhindert werden können.
Das wirke sich auch bei den Zinsen schon aus. Die Rendite von Staatsanleihen hat seit Anfang 2021 um fast zwei Prozentpunkte vom negativen Bereich auf etwa 1,35 Prozent zugelegt. Hypothekarkredite haben zwar noch nicht nachgezogen, werden das aber in den kommenden Wochen tun. Gibt es jetzt noch für knapp 1,4 Prozent Fixverzinsung langfristige Kredite, dürften es bis Mitte 2023 um 1,5 bis 2 Prozentpunkte mehr werden, erwartet Brezinschek. Real seien die Zinsen damit aber angesichts der aktuellen Inflation negativ, ja "Realzinsen sind noch negativer heute als vor 15 Monaten". Umso unverständlicher sei es, dass sich die EZB ziert, die Zinsen zu erhöhen. Für die Wirtschaft seien die realen Zinsen entscheidend.
Es sei "Unsinn" zu glauben, dass in dieser Situation eine Erhöhung der Zinsen die Wirtschaft abwürgen würde. Durch die Inflation würden ja auch die Staatseinnahmen steigen. Solange der Staat nicht inflationsbedingt Ausgaben hat, die die Einnahmen übersteigen, sei er "Inflationsgewinner".