"Es ist in Ordnung, alles auf eine Karte zu setzen, solange man die Kontrolle darüber hat, was mit dieser Karte passiert" – es sind auch markige Sprüche wie dieser, die Elon Musk in den vergangenen Jahren zu einem der prägendsten Unternehmer überhaupt gemacht haben. Als eine Art Amalgam aus "Clown, Genie, Provokateur, Visionär, Industriellen und Showman" wurde er vom "Time Magazin" im Vorjahr beschrieben, um ihn gleichzeitig als "Person des Jahres" zu adeln. Musks Vielseitigkeit und Widersprüchlichkeit spiegelt sich nicht nur in seinen geschäftlichen Aktivitäten (siehe rechts) wider – exemplarisch steht dafür auch das jüngste "Milliarden-Projekt" des Tesla-Chefs: Die am Montagabend fixierte Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter. Die Plattform dient Musk seit Jahren sowohl als Bühne als auch als Reibebaum.
Die Lunte war gelegt ...
Kaum eine seiner bisweilen wirr anmutenden Nachrichten, die er an seine 83,3 Millionen weltweiten Follower richtet, bleibt ohne Resonanz. Als er Ende März wissen ließ, dass er über die Etablierung einer eigenen Social-Media-Plattform nachdenke, war die Lunte gewissermaßen gelegt. Zuvor hatte er sich wiederholt lautstark über die aus seiner Sicht grassierenden Einschränkungen der freien Meinungsäußerung auf Twitter beklagt. Kurz darauf wurde bekannt, dass Musk mehr als neun Prozent der Twitter-Aktien hält und wiederum nur Tage später unterbreitete er ein milliardenschweres Übernahmeangebot. Das Offert sorgte nicht nur ob seines Volumens von mehr als 44 Milliarden US-Dollar für Aufsehen, sondern auch aufgrund zahlreicher Spitzen gegen das Management, die er damit verknüpfte. Er werde Twitter von der Börse nehmen und eine Plattform für Redefreiheit etablieren. Er glaube an das Potenzial, ihm sei aber auch klar geworden, "dass das Unternehmen in seiner jetzigen Form weder gedeihen noch diese gesellschaftliche Aufgabe erfüllen wird", ließ Musk wissen.
Ein Auf und Ab, ein Hin und Her
In den vergangenen Tagen überschlugen sich die Ereignisse in dieser Hassliebe endgültig: Binnen kürzester Zeit stellte der laut Bloomberg reichste Mensch der Welt die Finanzierung auf. Gleichzeitig regte sich vorerst Widerstand bei den bestehenden Twitter-Aktionären. Noch am Wochenende wurde plötzlich spekuliert, dass Musk sein Interesse am Milliarden-Kauf verloren habe, was sich nun als falsch herausstellte. Twitter gab bekannt, dass man sich auf einen "Deal" geeinigt habe. Jetzt liegt es an den Aktionären, ob sie das Angebot annehmen wollen.
Ein Auf und Ab, ein Hin und Her. Wenn Musk nun am Ziel ist, was bedeutet das für die 2006 gegründete Plattform? Ist der eigentliche Grund für die Appelle nach mehr Meinungsfreiheit, dass der 50-Jährige ob seiner mitunter erratischen Tweets wiederholt harsche Kritik geerntet hat und sich als Alleineigentümer "freispielen" möchte? Wiederholt hatte sich Musk in den letzten Jahren Ärger mit der US-Börsenaufsicht SEC eingehandelt, weil er via Twitter Nachrichten verbreitete, die börsenrelevant sind – so ließ er im Sommer 2018 u. a. wissen, dass er den E-Autohersteller Tesla von der Börse nehmen wolle.
Redefreiheit versus "Fake News"?
Und dann gibt es auch eine gravierende politische Komponente: Denn das, was Musk als Beschränkungen der freien Meinungsäußerung brandmarkt, resultiert zum Teil auch aus dem Kampf gegen bewusste Falschnachrichten ("Fake News") auf Social-Media-Plattformen. So wurde der frühere US-Präsident Donald Trump u. a. von Twitter verbannt, nachdem dieser Sympathie für seine Anhänger bekundet hatte, die am 6. Jänner 2021 das US-Kapitol in Washington erstürmt hatten. Daher findet Musks Übernahme und die in Aussicht gestellte "globale Plattform für Redefreiheit" bei Trump-Anhängern viel Zuspruch. In den USA ist daher auch eine Debatte darüber entbrannt, was Musks Pläne für die US-Präsidentschaftswahl 2024 bedeuten könnten, bei der Trump wieder antreten könnte.