Um bis 2030 stromautark zu sein, fehlt Österreich erneuerbare Energie im Ausmaß von 27 Terawattstunden. Wie wollen Sie die langwierigen Verfahren beschleunigen, die größte Hürde für diesen Kraftakt?
KAROLINE EDTSTADLER: Wir als Regierung müssen daran arbeiten, dass Infrastrukturprojekte schneller genehmigt werden. Vor allem die Klimaschutzministerin ist hier sehr gefragt. Zwischen 2009 und 2017 dauerten UVP-Verfahren im Schnitt 13,3 Monate, danach sind es sogar 15,2 Monate. So wird es sich nicht ausgehen bis 2030.
Was muss das Ziel sein – eine Halbierung auf sieben oder acht Monate?
In der Zeit, die ein durchschnittliches UVP-Verfahren benötigt, soll künftig das fertige Windrad bereits Strom liefern.
Davon sind wir aber meilenweit entfernt.
Ja, davon sind wir weit entfernt. Die Klimaschutzministerin muss sagen, dass es diese Infrastruktur braucht. Man sollte gegen Infrastruktur zur Energiewende nicht mehr ankämpfen.
Müsste es also ein Primat des Klimaschutzes über den Umweltschutz geben?
Es braucht verkürzte Genehmigungsdauer in Verfahren für Wasser- und Windkraft, um die Energiewende und die mittelfristige Reduktion der Abhängigkeit von fossiler Energie zu schaffen. Wir brauchen auch Abstriche in Genehmigungsverfahren, was die Partizipation betrifft. Wenn jeder Einsprüche bis zur obersten Instanz machen kann, wird es halt lange Verfahren geben. Man muss schwerpunktmäßig Gebiete ausweisen, in denen Windräder oder Wasserkraftwerke errichtet werden und hier beschleunigte Verfahren durchführen.
Abstriche bei der Partizipation bedeuten naturgemäß eine Begrenzung von Bürgerrechten.
Jeder, der betroffen ist, soll weiterhin die Möglichkeit haben, seine Anliegen vorzubringen. Es muss aber auch einen Schlussstrich geben, damit man Argumente nicht bis zur obersten Instanz immer wieder erneuern kann.
"Mittelfristiger Ausstieg" aus russischem Gas heißt für Sie konkret was?
Es wird sicher fünf bis zehn Jahre brauchen, um sichtbar unter die 80 Prozent zu kommen, die wir heute mit russischem Gas decken.
Ein sehr langer Zeitraum.
Jede Reduktion hilft uns. Wir haben keinen Hafen und sind daher auf Länder wie Italien, die LNG verteilen können, angewiesen. Vorrangig bleibt aber der Erneuerbare-Ausbau.
Könnte Österreich mit seiner Weigerung eines EU-Gasembargos gegenüber Russland stärker unter Druck geraten als bisher?
Es bleibt eine Herausforderung, die Einigkeit in der EU in dieser Frage aufrechtzuerhalten, im Moment ist diese gegeben. Ein plötzliches Gasembargo hätte enorme Konsequenzen. Wir müssen bisher beschlossene Sanktionen auch durchhalten.
Die EU-Staaten überweisen täglich 700 Millionen Euro für russisches Gas. Damit finanzieren wir den Krieg Putins mit.
Das kann niemanden zufrieden stellen. Es wäre aber keinem geholfen, wenn sich die Situation in Österreich verschlechtert.
Hätten Sie bei einem EU-Gasboykott Angst um die Einigkeit?
Die bröckelnde Einigkeit wäre wohl unser geringstes Problem. Sie hätten Hunderttausende Arbeitslose, wenn die Industrie nicht mehr arbeitet, einen enormen Wohlstandsverlust und die jetzt schon galoppierende Inflation würde dann explodieren.