Die Post hat 2021 den Gewinn und das Ergebnis kräftig gesteigert. Wie sehr ist das Unternehmen nun von der gegenwärtigen Krisenkulisse betroffen?
GEORG PÖLZL: Vom Krieg und seinen Folgen sind wir direkt nicht betroffen, weil der Postverkehr nach Russland und Ukraine minimal ist, da geht es um ein paar Hunderttausend Euro im Jahr. Was aber natürlich bedrohlich ist, das ist diese stark steigende Inflation.

Wo ist die besonders spürbar?
Wir merken sie überall – bei allen Beschaffungen. Auch die Kollektivvertragsverhandlungen werden dadurch nicht leichter. Der gesamte Kostenauftrieb wirkt sich auch sofort und sehr kurzfristig aus, während Anpassungsmaßnahmen auf der Effizienz- und der Preisseite eine gewisse Fristigkeit haben.

Was bedeutet das für das laufende Geschäftsjahr?
Das heißt, dass das heurige Jahr schon jetzt unter einem schwierigen Stern steht. Im Moment bemühen wir uns sehr um Kostensenkungen, um dem entgegenzuwirken.

Was sind Ihre standortpolitischen Erwartungen an die politisch Verantwortlichen?
Meine Erwartungen haben mit der Krise in Wahrheit nichts zu tun. Was ich mir von der Politik erwarte, ist eine Rückkehr zu einer Rechtssicherheit und zu einer Berechenbarkeit in Österreich. Auch das Eindämmen der überbordenden Bürokratie finde ich auf der politischen Agenda nicht. Das wurde durch Corona stark überlagert: Der Staat muss alles richten und das Geld kommt sowieso aus dem Bankomaten und der Strom aus der Steckdose, da würde ich mir schon eine Rückkehr zu mehr Eigenverantwortung, auch im wirtschaftlichen Handeln, wünschen.

Ist das Anspruchsdenken zu stark ausgeprägt?
Ja, der Staat ist für alles verantwortlich, für alles, was schief geht, für alles, was nicht passiert, Förderung hier, Hilfe und Stützung dort. Das darf nicht zum System werden. Wir sind ein reiches Land, wenn sich unsere Staatsverschuldung einmal erhöht, okay, aber nur dann, wenn wir auch einen Modus dafür finden, wie wir die Schulden wieder zurückbezahlen können und uns wieder darauf konzentrieren, dass jeder Euro eben auch erwirtschaftet werden muss, bevor er ausgegeben wird.

Sie haben gerade auch den Wunsch nach einem Mehr an Rechtssicherheit angesprochen – woher rührt dieses Unbehagen?
Wenn man das politische Geschehen verfolgt, hat man schon den Eindruck, dass auf einige rechtsausübende Organe nur bedingt Verlass ist, dass sich hier eine gewisse Gesinnungsjustiz durchsetzt und zusätzlich bewusst skandalisiert wird.

Es wird zu schnell und zu früh kriminalisiert?
Wir reden alle über Datenschutz, aber dieser Datenschutz ist für gewisse Personengruppen außer Kraft gesetzt. Jedes Ermittlungsergebnis geht sofort an Medien, das darf aus meiner Sicht nicht sein, stellt dies meines Erachtens teilweise doch einen Missbrauch von parlamentarischen Instrumenten dar.

Mittlerweile erwirtschaftet der rasant gewachsene Paket-Bereich mehr als der Briefversand der Post. Geht das in diesem Tempo weiter?
Das Wachstum im Paketbereich wird heuer etwas geringer ausfallen, die vergangenen zwei Jahre waren stark von der Pandemie und dem damit verbundenen Boom im E-Commerce-Bereich geprägt. Das Briefgeschäft geht zwar zurück, aber es verschwindet nicht.

Stichwort Online-Boom. Wie konnte davon das Post-eigene Portal shöpping.at profitieren, das vor fast genau fünf Jahren gestartet und anfangs zum Teil ja noch etwas belächelt wurde?
Die Pandemie war hier ein unheimlicher Beschleuniger, vor allem 2020, da haben wir eine Vervierfachung unseres Handelsumsatzes erlebt, das hat sich zwar abgeflacht, aber unser Ziel liegt bei 100 Millionen Euro Handelsumsatz, später einmal werden es 200 Millionen sein. Und auf diesem Weg sind wir.

Wann soll die 100-Millionen-Marke geknackt werden?
Wir haben uns das – von jetzt weg – in etwa zwei bis drei Jahren vorgenommen. Wir liegen da gut auf Kurs. Das Potenzial ist groß, trotz schwieriger Bedingungen.

Inwiefern?
Der E-Commerce-Markt legt in Summe zu, aber für den österreichischen Handel viel zu wenig. Es kann doch niemanden befriedigen, wenn der gesamte Paketsegen aus dem Ausland kommt. In Summe – davon gehen unsere Marktschätzungen aus – kommen 70 bis 80 Prozent aller E-Commerce-Pakete in Österreich aus dem Ausland.

Wie steuert shöpping dagegen?
Ich bin der Überzeugung, dass es da eine Chance gibt. Die größte Bemühung setzen wir darauf, den Handel zu überzeugen, sich im Internet performanter zu verhalten. Preis und schnelle Lieferfähigkeit – wir stellen von der Bestellung über das Payment bis hin zur schnellen Lieferung und auch zur Retourenabwicklung und Rückverrechnung alles zur Verfügung. Wir haben derzeit rund 2000 Händler an Bord und circa drei Millionen Artikel im Angebot, diese Zahl wächst.

Größter Einzelkunde und gleichzeitig am stärksten wachsender Konkurrent im Paketgeschäft ist Amazon. Eine schizophrene Situation ...
Genauso ist es. Im Privatkundengeschäft kommen wir auf einen Marktanteil von 62 Prozent, Amazon liegt mit seiner eigenen Zustellung bei 13 Prozent, das wird weiter zunehmen. Dennoch sehe ich in Zukunft schon auch eine entscheidende Rolle der Post im gesamten E-Commerce.

Wie wappnen Sie sich?
Gerade in der Pandemie haben wir mit unserer gesamten Systemlogistik viel weitergebracht, wir haben beispielsweise von der Masken-Distribution bis hin zu den Schultests logistisch viel abgewickelt, von der Lagerung über die Kommissionierung bis hin zum Versand. Sowohl im Brief- als auch im Paketbereich, versuchen wir anhand der Wertschöpfungskette vorgelagerte Schritte zu übernehmen. Diese Strategie geht auch auf.

Vor zwei Jahren ist mit der bank99 die eigene Bank der Post an den Start gegangen. Das Privatkundengeschäft ist ja kein sehr margenstarkes – ändert sich das durch die Übernahme der ING-Privatkunden in Österreich?
Ja, das bringt uns nicht nur Volumen, das bringt uns auch auf der Kreditseite ein Geschäft, davor waren wir nur auf der Einlagenseite unterwegs. Zusätzlich haben wir dadurch das Produkt- und IT-Know-how weiter gestärkt. Ganz abgesehen von dem Umstand, dass hier eine Bank geschlossen werden sollte und wir gerade eine Bank aufbauen. Wo hätten wir denn in der Geschwindigkeit 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diesen Bereich herbekommen? Das wäre undenkbar gewesen.

Wie häufig wurden Sie damals gefragt, warum die Post ausgerechnet in einem historisch ungünstigen, von Null- und Negativzinsen geprägten Umfeld eine Bank gründet?
Sehr häufig. Da waren sicher mehr Leute skeptisch als uneingeschränkt dafür.

Sie waren immer überzeugt?
Die Post war ja mehr als 140 Jahre der Vertriebs-Ast der Postsparkasse bzw. der Bawag P. S. K. Das hat sich geändert, wir standen also vor der Entscheidung, ob wir künftig keine Finanzdienstleistungen mehr anbieten wollen, oder es selbst machen, mit einem Partner. Und mit der Grawe haben wir einen sehr guten Partner gefunden. Als Post – mit einem erodierenden Kerngeschäft und das ist das Briefgeschäft nun einmal –, da muss man sich einfach Gedanken darüber machen, wie man auch die Relevanz seiner Dienstleistungen und des Filialnetzes, das 1800 Standorte umfasst, erhält. Ich bin eher so veranlagt, Chancen zu ergreifen, als mich vor irgendwelchen krisenhaften Entwicklungen zu fürchten.