Nüchterne Zahlen veranschaulichen den Krisenmodus der Luftfahrt: Sind in Europa 2019 700 Millionen Passagiere gezählt worden, waren es 2021 nur 270 Millionen. Von 400.000 Beschäftigten 2019 haben 150.000 ihren Job verloren. Treibstoffpreise haben sich verdoppelt und machen bis zu 35 Prozent der Kosten der Fluglinien aus.
Oberste Priorität, so der Tenor der wichtigsten Fluglinien in Europa, sei jetzt die Überwindung der Pandemiefolgen. Es sei dringend nötig, die Beschränkungen aufzuheben oder endlich zu vereinheitlichen. Reisen und der Austausch von Völkern und Kulturen sei ein Grundbedürfnis sehr vieler Menschen, die Reisefreiheit die Voraussetzung dazu. Die Industrie verlangt von der Politik Pläne, um auf mögliche künftige Corona-Wellen vorbereitet zu sein. Und sie verlangt eine Reform der Passagierrechte, die sich in der Krise als ebenso unpraktikabel wie unfinanzierbar erwiesen hätten.
Steigende Ticketpreise
Als die derzeit größte Auswirkung des Kriegs bezeichnen die Fluglinienchefs den Treibstoffpreis. Zwar steht der Ölpreis nach fast 130 US-Dollar je Barrel Anfang März jetzt wieder bei rund 100 US-Dollar. Diese Mehrkosten lassen sich aber trotz steigender Ticketpreise nur schwer verdienen, auch weil die Flugzeuge oft nicht gut ausgelastet sind. Besser stehen jene Fluglinien da, die ihre Treibstoffkosten gegen steigende Preise abgesichert (gehedged) haben. So hat Lufthansa zwei Drittel ihres Treibstoffbedarfs heuer mit 74 Dollar abgesichert, 2023 noch ein Drittel. Ryanair sichert nach eigenen Angaben 80 Prozent des Bedarfs ab, Wizzair aber gar nichts und wird so durch die Kosten schwer belastet.
Einnahmen in Forschung und Produktion stecken
Der Klimaschutz fährt derzeit im Schatten des Krisenmodus. Alle Fluglinien bekräftigen das Ziel, ihre CO₂-Emissionen bis 2030 um 45 Prozent reduzieren zu wollen und bis 2050 klimaneutral zu fliegen. Die Politik allerdings tue nichts, um sie dabei zu unterstützen. „Wir investieren viele Milliarden Euro in neue, sauberere Flugzeuge, tausende Technikerinnen und Techniker arbeiten intensiv an umweltfreundlichen Technologien, und wir würden für viele Milliarden Euro saubere alternative Treibstoffe (SAF) kaufen“, sagt Lufthansa-Chef Carsten Spohr. „Aber wo?“, fragt er rhetorisch. Es gebe ihn nämlich nicht zu kaufen, weil er mangels politischer Unterstützung in viel zu geringen Mengen produziert wird. „SAF, Wasserstoff und grüne Energie sind gewaltige Infrastrukturprojekte“, sagt Ryanair Boss Michael O’Leary. „Die gehören auf der politischen Agenda ganz nach oben.“ Statt neue Steuern zu erfinden, die der Umwelt nicht helfen, sollte die Politik die bestehenden Einnahmen in Forschung und Produktion stecken, fordern die Fluglinien. Vehement verlangen sie auch, dass nach zwei Jahrzehnten Diskussion endlich der einheitliche europäische Luftraum geschaffen wird. Denn das würde eine CO₂-Ersparnis von zehn Prozent bewirken.
Ob Coronaregeln oder Klimaschutz: Die Fluglinien fordern die Politik auf, für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Innerhalb Europas und von Europa mit dem Rest der Welt. Wenn das gelingt, könne die europäische Luftfahrt Vorreiter in Sachen Klimaschutz werden. Die Menschen jedenfalls wollen fliegen, sagt die Branche und freut sich darüber, dass die Buchungen für Ostern und den Sommer das Vorkrisenniveau bereits übertreffen. Die Hoffnung der Airliner ist, dass nicht wieder eine Krise dazwischenfunkt.
Michael Csoklich