Die Situation bleibt verworren, die Nervosität hoch. Russlands Präsident Wladimir Putin hat nun jenes Dekret unterzeichnet, das künftig eine Rubel-Zahlung für Öl- und Gaslieferungen vorschreibt. Ein Schritt, den er bereits in der Vorwoche angekündigt hatte. Die G7-Staaten sowie die EU haben aber wiederholt betont, dass die russischen Gasrechnungen auch künftig – wie in den jeweiligen Verträgen vorgesehen – in Euro bzw. US-Dollar bezahlt werden.
Beide Seiten zeigten sich in den vergangenen Tagen also unnachgiebig, begleitet von anhaltenden Widersprüchlichkeiten, die sich auch am Donnerstag fortsetzten. Wie berichtet, hatten Regierungsvertreter aus Deutschland und Italien noch am Mittwochabend von einer Zusicherung Putins berichtet, wonach sich für bestehende europäische Vertragspartner nichts ändern werde, also weiterhin in Euro bezahlt werden könne.
Aber wie ist das vor dem Hintergrund eines nunmehr von Putin unterzeichneten Dekrets zu verstehen, in dem festgehalten wird, dass ausländische Käufer für russisches Gas ab Freitag, also heute, in Rubel zahlen müssen? Zumal Putin betont: "Wenn solche Zahlungen nicht geleistet werden, betrachten wir dies als Verzug der Käufer mit allen daraus resultierenden Konsequenzen." Das heiße, "bestehende Verträge werden gestoppt".
Dieses Prozedere soll angewendet werden
Die Details, die bisher bekannt sind, lassen zumindest Interpretationsspielraum übrig. Fix ist, dass "autorisierte Banken", genannt wird explizit die Gazprom-Bank, die nicht auf der EU-Sanktionsliste steht, eine Schlüsselrolle spielen. Dafür soll wohl folgendes Prozedere sorgen: Ausländische Gaskunden werden verpflichtet, Devisen, also Euro oder Dollar, auf ein spezielles, sogenanntes "K-Konto" zu überweisen. Die Bank soll dann wiederum – im Namen des Kunden – Rubel aufkaufen und die russische Währung auf ein anderes K-Konto transferieren. In einem weiteren Schritt sollen die Rubel dann auf ein Konto des Gaslieferanten fließen. "Reuters" verweist noch auf ein wichtiges Detail: "Die Gazprom-Bank kann solche Konten laut Dekret ohne Anwesenheit eines Vertreters eines ausländischen Gaskäufers eröffnen."
"Mit dem heutigen Wissensstand ändert sich nichts"
Was bedeutet all das nun? Einerseits überweist der ausländische Kunde zwar weiterhin erst einmal in Euro, muss selbst keine Rubel aufkaufen. Man könnte also sagen, dass so nicht gegen das westliche Bekenntnis verstoßen wird und sich in der Praxis im Prinzip wenig ändert. Elegant und gesichtswahrend? Nur bedingt, wie eine nähere Betrachtung zeigt. Denn umgekehrt werden ja durch die Gazprom-Bank – eben im Namen des Kunden – Rubel gekauft. Als zur Gänze bezahlt gilt die Lieferung überdies erst ab dem Zeitpunkt, wenn die jeweilige Fremdwährung an der Moskauer Börse in einer Auktion gegen Rubel umgetauscht wurde.
Sowohl die Eröffnung eines Rubel-Kontos als auch den Verkauf von Devisen an der Moskauer Börse müsste man also schlucken.
Wie sich dieses Dekret nun konkret auf die Gaslieferungen und die dahinter liegenden Bezahlprozesse auswirkt, werden wohl erst die nächsten Tage, zeigen.
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr geht jedenfalls davon aus, dass das Gas erst einmal weiterfließt, wie er in der ZiB2 betont. "Mit dem heutigen Wissensstand ändert sich nichts."
Unberechenbarkeit als Konstante
Es kann schon sein, dass es Putin vor allem um eine Art gesichtswahrende Symbolik nach innen geht, wie jetzt so mancher Beobachter meint. Verlassen sollte man sich aber nicht darauf. Unberechenbarkeit, das haben die letzten Wochen drastisch vor Augen geführt, ist im Kreml zur Konstante geworden. Auch Felbermayr betont, dass man letztlich nie wisse, "was die Ankündigungen aus dem Kreml tatsächlich wert sind".
Wie reagiert Österreich? So wie auch Energieministerin Leonore Gewessler und Kanzler Karl Nehammer wartet die OMV, deren Verträge mit Gazprom auf Euro lauten, erst einmal auf schriftliche Informationen des Vertragspartners. Man betont aber klar, dass man dabei "die Einhaltung aller anwendbaren Sanktions- und Rechtsvorschriften" gewährleisten werde.
Vor einem europäischen Gas-Embargo wurde gestern abermals vor allem von Industrievertretern gewarnt. Besonders eindringlich formulierte es der Vorstandschef des deutschen Chemieriesen BASF, Martin Brudermüller. Er wirft in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die Frage auf: "Wollen wir sehenden Auges unsere gesamte Volkswirtschaft zerstören?"