Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, findet das Krisenmanagement im Klimaschutzministerium angesichts des drohenden Gas-Lieferstopps aus Russland unzureichend und fordert die sofortige Einsetzung einer Energie-Staatssekretärin bzw. -Staatssekretärs direkt im Bundeskanzleramt. Zeitgleich warnt die chemische Industrie vor Produktionsausfällen, da eine kostendeckende Produktion immer schwieriger werde.
"Die Lage ist ernst – die Energieversorgung Österreichs steht auf dem Spiel", warnte Knill am Donnerstag in einer Aussendung. "Tritt der Extremfall einer Drosselung oder Aussetzung der russischen Gaslieferungen ein, haben wir eine Energiekrise in derzeit noch nicht vorstellbarem Ausmaß", so der IV-Chef.
Massive Auswirkungen
Er mahnte: "Den Gashahn von heute auf morgen stark zu drosseln oder gar abzuschalten, hätte beträchtliche Auswirkungen auf unser alltägliches Leben, unsere Energieversorgung und unsere Wirtschaft insgesamt. Bei einem sofortigen Gas-Lieferstopp haben wir nur noch kurze Zeit, bevor die ersten Industriebetriebe gezwungen werden, ihre Produktion herunterzufahren und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Hause zu schicken."
Die Stimmen, die vor einer Gaskrise warnen, haben zuletzt deutlich zugenommen. Heute verwies auch der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) auf eine hauseigene Umfrage, wonach ein großer Teil der Unternehmen mit einem Rückgang bei Aufträgen und Umsätzen ab dem zweiten Halbjahr rechnet. "Besonders schwierig ist die Situation für die energieintensiven Unternehmen. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass die gestiegenen Herstellungs- und Beschaffungskosten nicht oder nur zum Teil an die Kunden weitergegeben werden kann", so der Verband in einer Aussendung.
Entlastung für Industriebetriebe
Sollte sich die Lage weiter zuspitzen, könnte das zu Versorgungsproblemen bei lebenswichtigen Waren wie Medikamenten oder Düngemitteln führen. "In einigen Unternehmen der chemischen Industrie stellt sich bereits die Frage, ob überhaupt noch kostendeckend produziert werden kann. Wir brauchen deshalb jetzt eine Entlastung bei den Energiekosten und eine Aufschiebung zusätzlicher Belastungen", appelliert Hubert Culik, Obmann des FCIO, und verweist auf die bereits mehrfach vorgebrachten Forderungen der Industrie wie die Strompreiskompensation oder die Einführung des Dekarbonisierungsfonds und eine Verschiebung der CO₂-Bepreisung.
Unzufrieden mit dem Krisenmanagement der Regierung ist auch die FPÖ. "Während andere europäische Länder auf Transparenz setzen, um ihre Bevölkerung zu informieren, setzen Österreichs Traumwandler von ÖVP und Grünen weiterhin auf vertuschen und täuschen, um die eigene Inkompetenz zu verbergen", kritisierte Energiesprecher Axel Kassegger in einer Aussendung.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch meinte heute, die Regierung leiste sich "mitten in der Coronakrise und der dramatischen Teuerungswelle den nächsten Streit auf offener Bühne". Dies sei eine "Frontalattacke auf die grüne Energieministerin und ein ganz klarer Misstrauensbeweis". Die ÖVP wollte mit ihrer Forderung nach einem Energie-Staatssekretariat "offensichtlich die grüne Ministerin quasi entmündigen und Stück für Stück abmontieren".