Bei Claudia Wiesenreiter und ihrem Vater Ewald Leikam ist alles gut gegangen. 2017 übergab er das auf Naturprodukte spezialisierte Geschäft am Unteren Platz in St. Veit an sie. "Aber er hatte sich schon zwei Jahre zuvor operativ zurückgezogen, die Zügel aus der Hand gegeben", sagt die 38-Jährige. "Er war und ist immer für mich da, aber ich habe ihn nicht im Hinterkopf." Die Junior-Chefin, selbst Mutter zweier Söhne, gibt heute fünf Mitarbeiterinnen Arbeit. Das Sortiment hat sie erweitert, die Unverpackt-Ware aufgestockt. Laden und Familienfrieden sind im Lot. Ebenso reibungslos klappte die Übergabe im Autohaus Aichlseder in Klagenfurt, wo Senior Hubert Aichlseder an Junior Max Aichlseder übergab. Und bei Sandwich Pucher in Klagenfurt, wo Senior Georg Pucher an seinen Sohn Martin Pucher übergab.
So wie bei den Leitgebs, den Aichlseders und den Puchers werden in Kärnten jedes Jahr 500 Klein- und Mittelbetriebe übergeben. Nur eben nicht so reibungslos.
Demnächst stehen laut einer Umfrage der Wirtschaftskammer 6000 Kärntner Unternehmen zur Übergabe an, weil die Chefs oder Chefinnen über 55 Jahre alt sind. Sie repräsentieren 40.000 Mitarbeiter – 20 Prozent aller Erwerbstätigen in Kärnten. Nicht genug, dass Lebenswerke in neue Hände gegeben werden müssen. "Es ist essenziell für den Standort, dass diese Übergaben gut gehen", sagen Wirtschaftskammer-Präsident Jürgen Mandl und Wirtschaftslandesrat Sebastian Schuschnig (ÖVP).
Erbrecht, Mietrecht, Rechtsformgestaltung, Umgründung, Vermögensübertragung, und Unternehmensbewertung sind die üblichen Stolpersteine bei Betriebsübergaben, bei denen immer der Übergeber viel Geld lukrieren, aber keine Haftungen behalten will; der Übernehmer immer wenig zahlen, aber keine Haftungen übernehmen will. Nicht selten sind Privatwohnung und Firma im selben Gebäude untergebracht.
Der Wandel der Gesellschaft bedingt, dass sich nun eine viel größere Hürde auftürmt: WER übernimmt? "Bisher wurden Betriebe nach unserer Erfahrung in Kärnten zu zwei Drittel innerhalb der Familie übergeben. Aber in der nächsten Generation wollen viele nicht. Sie haben gesehen, wie viel Arbeit der Betrieb bedeutet und fordern ihre Work-Life-Balance ein", sagt Kristin Grasser, Präsidentin der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Kärnten.
Land und Kammer starten nun eine Roadshow, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Am Mittwoch, dem 6. April, ist Start in Klagenfurt. Weitere Termine sind der 25. April (Spittal), der 28. April (Wolfsberg) und der 4. Mai (Villach). Wer für seine Übergabe bzw. -nahme Expertenhilfe in Anspruch nimmt, kann eine Beratungsförderung von Land und Wirtschaftskammer in Anspruch nehmen. Gernot Murko, Präsident der Anwaltskammer Kärnten: "Wichtig ist, dass Experten schon frühzeitig an den notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen mitwirken. Eine Übergabe ist keine Sache von heute auf morgen. Und auch der richtige Zeitpunkt will gewählt sein." Laut Jutta Steinkellner, der Leiterin des Wirtschaftskammer-Servicezentrums, ist auch eine Nachfolgebörse im Aufbau.