Von "Einzigartigkeit" war ebenso die Rede wie von "Neuland" – erst vor wenigen Wochen gab die TU Graz bekannt, dass man es Herstellern von Schienenfahrzeugen ab 2023 ermöglichen wird, am Campusgelände ihre Bremssysteme nicht nur prüfen, sondern auch zertifizieren zu lassen. Dafür wird derzeit ein – in dieser Form völlig neuartiger – Prüfstand installiert. Dieser erlaube "erstmals Untersuchungen von Bremsbelastungen und deren Auswirkungen auf das komplette Fahrwerk", wurde mitgeteilt.
Für die Konzeptionierung und Umsetzung des Prüfstands zeichnen die Spezialisten von "KS Engineers" verantwortlich. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Graz, das auch in St. Veit an der Glan einen Standort betreibt, gilt als ein international führender Anbieter von Prüfständen und Prüftechnik für die Automobil- und Motorenindustrie. Mit diesem Bahnprüfstand könne man "die weitreichenden Erfahrungen im Bereich der alternativen Antriebe einmal mehr unter Beweis stellen", betont KS-Geschäftsführer Stefan Pircher, der seit Jänner gemeinsam mit Karl Baumgartner und Wolfram Rossegger die Unternehmensleitung bildet. Der Aufbau der einzelnen Prüfstandskomponenten soll im Sommer beginnen.
Mit neuen Antriebskonzepten sind die Experten von KS Engineers aber nicht nur auf Schiene: Aktuell werden millionenschwere Achsmodul-Prüfstände für die Lkw-Industrie im Grazer Werk gefertigt und bis zum Sommer in Richtung USA verschifft. Das Grazer Know-how erlaube in diesem Zusammenhang die flexible und vielfältige Testung von alternativen Antriebskonzepten. Insbesondere Wasserstoff- und Brennstoffzellenkonzepte im Lkw-Bereich würden Aufwind verspüren, so Pircher. "Unsere Lösungen tragen dabei maßgeblich zu einem klimaschonenderen Transportwesen bei."
Stichwort USA. In Michigan ist derzeit auch ein neuer Firmenstandort im Aufbau, die juristische Gründung der "KS Engineers USA Inc." sei gerade erfolgt.
Die Vorteile der Grazer Mobilitätsinfrastruktur beschreibt Pircher so: "Auf Basis unserer Hightech-Prüfstände transferieren wir die Prüfung kompletter Antriebssysteme von der Straße auf den Prüfstand." Was bisher umfangreiche und aufwendige Tests und Fahrversuche nötig machte, werde so durch die Entwicklung auf dem Prüfstand ersetzt. Das reduziere maßgeblich Kosten und Entwicklungszeit. Die hohe Nachfrage spiegle sich auch im Personalstand wider. KS Engineers hat im Vorjahr 30 Mitarbeiter neu eingestellt und beschäftigt aktuell gut 600 Mitarbeiter. 50 offene Stellen – vom Softwareentwickler über den Projekttechniker bis zum Prüfstandsingenieur – sind momentan ausgeschrieben.
"Tornado" aus Kärnten
Eine wichtige Rolle nimmt der Standort in St. Veit an der Glan ein, wo derzeit 15 Mitarbeiter beschäftigt werden. Die dort tätigen Softwarespezialisten und Produktingenieure zeichnen etwa für die Entwicklung der hauseigenen Software "Tornado" verantwortlich: Dabei handelt es sich um ein digitales Werkzeug, mit dem die Anforderungen der Prüfaufgaben definiert werden und auf dem die Prüfstandsverwaltung erfolgt. Der Standort habe auch strategische Bedeutung, wird betont. Durch die Ansiedlung in Kärnten sei es möglich, auch Studien-Heimkehrern "spannende Arbeitsplätze in einem international tätigen Automotive-Leitbetrieb anzubieten", heißt es aus dem Unternehmen. Insbesondere Softwareentwickler werden aktuell gesucht.
Wie ist das Unternehmen von den weltwirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen rund um Chipmangel und Kostenexplosion, die sich durch den Ukraine-Krieg noch einmal verschärft haben, betroffen? Im Unternehmen betont man, dass man diese Entwicklungen "natürlich mit Sorgfalt beobachtet". Die Teuerungen bei Energie und Rohstoffen bekomme man – wie jedes andere Unternehmen – zu spüren, besonders fordernd seien die langen Lieferzeiten. Dennoch registriere man aktuell "keine auffälligen Veränderungen in unserem Geschäftsfeld auf dem Automotive-Markt". Der Auftragseingang sei stabil. Die Fahrzeughersteller würden nach wie vor stark in zukunftsorientierte Antriebstechnologien investieren – der Bedarf an innovativen und vielfältigen Entwicklungsdienstleistungen sei hoch.