Montagnachmittag gingen Betriebsräte und Gewerkschafter in Wien, Graz und Klagenfurt auf die Straße. Ihr Protest richtete sich gegen die festgefahrenen KV-Verhandlungen in der Bankenbranche bzw. gegen das aus ihrer Sicht zu niedrige Angebot der Arbeitgeberseite. 2,6 Prozent plus 12,50 Euro – das sei zu wenig angesichts der Milliardengewinne und der weit darüber liegenden Inflation.
Eine "kräftige und nachhaltige Gehaltserhöhung" für die 73.000 Angestellten der österreichischen Kreditinstitute fordert die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) und verweist auf den Rekordgewinn des Sektors in Höhe von 6,5 Milliarden Euro – nach Steuern. Die Zustimmung zu weiteren gewerkschaftlichen Aktionen sei enorm, so die GPA, sollte es in der vierten Verhandlungsrunde "wieder zu keinem akzeptablen Angebot kommen". Am Dienstag treffen sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter erneut. Der Bankenverband verweist auf die Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg.
Es gärt in den Frühjahrsrunden der KV-Verhandlungen – nicht nur in der Bankenbranche. Die Inflation, die Verbraucherpreise stiegen im Februar auf 5,9 Prozent, belasten private Haushalte wie Unternehmen. In der Elektro- und Elektronikindustrie legte die Gewerkschaft daher gleich die höchste Einstiegsforderung seit Jahrzehnten auf den Tisch – sechs Prozent mehr Lohn und Gehalt verlangt man ab 1. Mai. Basis für das Feilschen der Sozialpartner ist traditionell die zurückliegende Jahresinflationsrate – und die beträgt 3,5 Prozent.
Droht eine Lohn-Preis-Spirale?
Sind Forderungen, die darüber liegen, also überzogen? Befeuern hohe Lohnabschlüsse gar die Inflation weiter, wie in Lohnverhandlungen die Arbeitgeberseite argumentiert? Benjamin Bittschi, Ökonom des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), glaubt nicht, dass es zu einer sogenannten Lohn-Preis-Spirale kommt: "Das würde heißen, dass die Löhne über der Inflation steigen und dass sie auch stärker wachsen als das, was in einzelnen Industrien als Puffer durch die wirtschaftliche Stärke, also etwa durch die Produktivität, erarbeitet wird und das es aufzuteilen gilt", sagt Bittschi zur Kleinen Zeitung. "Um von einer drohenden Lohn-Preis-Spirale sprechen zu können, müssten die Forderungen der Arbeitnehmerseite darüber hinausgehen. Das sehe ich aber nicht."
Ebenfalls nicht zu sehen sei, dass Löhne und Gehälter die aktuelle Inflation treiben, so Bittschi, "da finden sich die Preise für Energie und die Kosten, die die Lieferketten verursachen". Bei exportorientierten Industrien wirken sich steigende Löhne außerdem nicht auf die Inflation im Inland aus.
Reallöhne sollten steigen
Generell sieht Bittschi für Österreich keine große Gefahr, dass eine Lohn-Preis-Spirale die Inflation aufschaukeln könnte. Das liege am System der Lohnverhandlungen, bei denen die Inflation rückwirkend betrachtet wird. "Größer wäre die Gefahr, wenn man sich nach der erwarteten Geldentwertung richten würde", sagt Bittschi. Er lobt auch die Entzerrung der Herbst- und Frühjahrslohnrunden, "denn sie trägt dazu bei, dass man auf ökonomische Gegebenheiten reagieren kann und es nicht auf einmal zu einem Lohnschock kommt".
Im Fall der Elektronikindustrie wird die Gewerkschaft ihre Einstiegsforderung von sechs Prozent wohl nach unten verhandeln lassen, bei den Banken hingegen dürfte die Arbeitgeberseite etwas drauflegen. Denn mit dem Angebot von 2,6 Prozent liegt man 0,9 Prozent unter der Jahresinflation von 2021, das wäre ein Reallohnverlust für die Beschäftigten in der Branche. Nicht nur, dass dies vor dem Hintergrund hoher Gewinne schwer zu argumentieren ist: "Steigende Reallöhne sind ein sinnvolles Ziel", sagt Ökonom Bittschi und erinnert daran, dass Banken die Preise ihrer Produkte ebenfalls nach dem Verbraucherpreisindex anpassen.
Staat als "größter Gewinner"
Die Agenda Austria erinnert indes daran, dass der "größte Gewinner der nächsten Lohnrunden" der Staat ist. So bekäme ein durchschnittlicher vollzeitbeschäftigter Arbeiter der Elektro- und Elektronikindustrie bei einer Bruttolohnerhöhung von sechs Prozent um 4,7 Prozent oder 92 Euro mehr netto pro Monat auf das Konto, schreibt die Agenda. "Die Steuer- und Abgabenlast würde dagegen um 7,5 Prozent oder knapp 124 Euro monatlich steigen." Ähnlich sähe es bei Angestellten in diesem Industriezweig aus: 136 Euro netto mehr für Arbeitnehmer, 236 Euro für den Staat. "Der Staat bekommt immer mehr als die Beschäftigten, egal wie hoch der Abschluss ausfällt", sagt Agenda-Austria-Ökonom Dénes Kucsera.