Der Krieg in der Ukraine sowie die damit verbundenen Wirtschaftssanktionen gegen Russland setzen auch der österreichischen Wirtschaft zu. Insbesondere die massiv gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise wirken sich auf die Industrie aus. Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, spricht am Sonntag in der ORF-Pressestunde von "massiven Unsicherheiten" und im Zusammenhang mit den rasant gestiegenen Energiepreisen auch von "existenziellen" Gefährdungen für die energieintensive Industrie in Österreich. In den vergangenen Tagen habe sich die Situation rund um den Gaspreis zwar "etwas entschärft, die Preise liegen aber nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau". Im Jahresvergleich – März 2022 zu März 2021 – liegt der Anstieg bei 450 Prozent, im Vergleich zu 2020 ergibt sich sogar eine Verzehnfachung.
"Aufruf und Hilferuf"
Knill richtete in Richtung Energie- und Umweltministerin Leonore Gewessler einen "Aufruf und Hilferuf". Einmal mehr fordert er eine Strompreiskompensation für die energieintensive Industrie. Dieses Instrument, eine Beihilfe für stromintensive Unternehmen zur Kompensation indirekter CO₂-Kosten, sei von der EU längst genehmigt und werde in 13 Mitgliedsländern der EU bereits eingesetzt. In Österreich würde das einer "wesentlichen Entlastung von rund 200 Millionen Euro" entsprechen. Von der Umweltministerin brauche es jetzt "Rückenwind, nicht Gegenwind". Es brauche einen Belastungsstopp und für den Ausbau der erneuerbaren Energie auch deutlich schnellere Genehmigungsverfahren.
Transformationsfonds gefordert
Die Forderung von Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer, die für 1. Juli geplante Einführung der CO₂-Bepreisung auf 2023 zu verschieben, könne er nachvollziehen. Das Gesetz sei noch nicht fertig, die in Aussicht gestellten Ausgleichsmaßnahmen noch nicht definiert. Nur wenn dieses Gesetz fertig sei, könne man mit Juli starten, so Knill, sonst sei eine Verschiebung nötig.
Wie bereits in einem offenen Brief in einigen Tageszeitungen, darunter die Kleine Zeitung, am Samstag in Richtung der Umwelt und Energieministerin Leonore Gewessler, fordert Knill auch in der Pressestunde einen sogenannten Transformationsfonds. Dieser soll den Ausstieg der energieintensiven Unternehmen aus fossilen Energien unterstützen.
Die Forderung nach dieser 200 Millionen Euro schweren Strompreiskompensation sei jener Punkt in einem 9-Punkte-Forderungspapier der Sozialpartner und der IV, den die Industriellenvereinigung eingebracht habe. Die IV und die Sozialpartner hatten am Mittwoch einen "Gipfel" bei der Bundesregierung, den diese als "Gedanken- und Ideenaustausch" bezeichnet hatte. Was sich sonst noch an Forderungen finde, wollte Knill nicht verraten. Innerhalb der kommenden beiden Wochen werde man weiter beraten.
Neue Belastungen dürfe es nicht geben. "Anstehende Gesetzesvorhaben dürfen nicht zu einer weiteren Belastungslawine für unsere Industrie werden. Jetzt braucht es ein sofortiges Aussetzen sämtlicher Beschlüsse, die unseren Standort und unsere Unternehmen in dieser fordernden Zeit noch mehr unter Druck setzen würden. Eine falsch umgesetzte Dekarbonisierung darf nicht zu einer Deindustrialisierung führen."
"Es geht um die Werte Europas"
Knill hielt auch einmal mehr fest, dass russisches Gas kurzfristig nicht zu ersetzen sei, ein Embargo hätte unmittelbare Folgen für die heimische Industrie und würde eine "Kettenreaktion" auslösen.
Die Sanktionen gegen Russland unterstütze die Industrie, "wir stehen dahinter, es geht um die Werte Europas", so Knill. Die Sanktionen dürfen aber "nicht uns mehr schaden" als Russland, sagt der Industrie-Präsident zur Diskussion, ob die EU russisches Gas mit einem Importstopp belegen sollte.