Der 31. August 2018 war ein besonderer Tag für zwei steirische Erfinder und die Österreichische Post. In Allhaming (OÖ) präsentieren sie den Prototypen einer Maschine, die körperlich schwere Arbeiten in Logistikzentren übernehmen sollte.
Jeden Tag liefern in Österreich mehrere Tausend Lkw Pakete an den Rampen der Verteilzentren an. Sie müssen entladen werden – bis jetzt erfolgt dies per Hand oder teilautomatisch (ein Container fasst bis zu 1500 Pakete). Der „Rapid Unloader“ – so bezeichnen die Grazer Andreas Wolfschluckner und Matthias Fritz ihre Entwicklung – will das automatisieren und beschleunigen, von 60 auf 30 Minuten je Container. Dass so eine Erfindung die Effizienz massiv steigert, liegt auf der Hand – und dazu die Bandscheiben jener Menschen verschont, die die Packerl sonst heben und schlichten müssen. Noch mehr vor dem Hintergrund, dass die Paketmengen wachsen.
Klaglos funktionierte die Vorführung des Prototypen Ende August 2018, und die Post frohlockte, dass sie ab 2019 ihre Verteilzentren sukzessive mit dem automatischen Schnellentlader nachrüsten wolle.
Zurück an den Start
Doch dazu kam es nicht. „Wir haben die erste Generation verschrottet“, sagt Post-Logistik-Vorstand Peter Umundum heute, fast vier Jahre später, freimütig. Wolfschluckner erklärt den Grund: „Bald stellte sich Ernüchterung ein, im Echtbetrieb kamen viele Faktoren hinzu, die wir vorher nicht gesehen haben.“ Der Prototyp habe sich in der Praxis als untauglich erwiesen, die Entscheidung sei richtig gewesen. „Das Projekt stand damit aber auf der Kippe. Ich hätte es verstanden, wenn sich die Post wieder zurückgezogen hätte“, sagt Wolfschluckner.
Entstanden war die Idee zum automatischen Entladen Jahre davor in der „Logistikwerkstatt“ der TU Graz. Die Maschinenbauer Wolfschluckner und Fritz, damals Assistenten am TU-Institut für Logistik, starteten 2014 ein Forschungsprojekt – mit der Post als Kooperationspartner an Bord.
Der Plan: In die Post-Container (im Fachjargon Wechselaufbauten bzw. WAB) werden am Boden Fördergurte eingebaut. Gelangen sie an das Entladetor, verbinden sie sich mit der stationären Einheit, die den Gurt mit den Paketen herauszieht. In einer Halle in Graz-Straßgang schraubten Wolfschluckner und Fritz den ersten „Rapid Unloader“ selbst zusammen. „Da hat alles funktioniert.“ 2017 gründeten sie ihr Unternehmen PHS – Parcel Handling Solutions. Die Post beteiligte sich mit 26 Prozent.
„Der Weg von der Idee zum Prototypen ist viel einfacher als der Weg vom Prototypen zur Marktreife“, lernte Wolfschluckner in fünf zähen Jahren. „Wir waren am Anfang zu naiv. Aber gut, dass wir nicht wussten, was auf uns zukommt.“ Als Achillesferse der ersten Generation stellte sich nämlich ausgerechnet der Fördergurt heraus. Ein Kriterium, das nicht bedacht wurde: In der Praxis muss er die Belastung eines Staplers aushalten. „Dafür war der Fördergurt zu dünn, wir mussten ihn viel zu oft reparieren.“
"Wir ziehen das durch"
Erst war die Stimmung im Keller, doch dann – 2020, als die Pandemie Fahrt aufnahm – entschied man sich zum Neustart. „Es tut weh, wenn man einen Schritt zurückgehen muss, aber wir haben auch immer gesagt, das muss Erfolg haben“, sagt Wolfschluckner. Auch für Post-Vorstand Umundum „war immer klar, dass wir das durchziehen, auch, dass es ein gutes Geschäft werden kann. Es bestand nur Gefahr, dass jemand anderer mit der Entwicklung schneller ist als wir.“
Fritz und Wolfschluckner konnten ihrem „Rapid Unloader“ die Schwächen austreiben; die Fördergurte in den WAB bestehen nun aus verketteten, robusten Aluminiumteilen. „Ohne die Post hätten wir es nicht geschafft, nicht nur wegen des Geldes, sondern vor allem wegen der Möglichkeiten, alles auszuprobieren.“
Jetzt, da das Entladesystem patentiert ist und reif für die Serienproduktion, ließ sich die Post ihr Engagement versilbern. Sämtliche Anteile – zuletzt waren es 48,36 Prozent – wurden an den dänischen Anlagenbauer und Logistikspezialisten Caljan verkauft. Zugleich bestellte die Post zehn „Rapid Unloader“ für ihre Verteilzentren. Caljan übernahm auch die Anteile der Gründer, die aber als Geschäftsführer am Grazer Sitz der PHS bleiben. „Die Übernahme der PHS stärkt unser Angebot im Bereich der automatisierten Paketverarbeitung. Der Rapid Unloader eröffnet uns aufregende Möglichkeiten, um Paketdiensten, Einzelhändlern und Herstellern auf der ganzen Welt bei der effizienten Handhabung loser Fracht zu unterstützen“, erklärt Caljan-Chef Henrik Olsen.
„Wir können als Teil von Caljan mehr Kunden erreichen und schneller wachsen“, so Fritz. Die steirischen Gründer wollen weiter an der Effizienzsteigerung in der Paketlogistik arbeiten. Dies sei nötig, da Verteilzentren nicht beliebig ausgebaut werden können.