Ein vollständiger Ausfall der Exportmärkte Russland, Ukraine und Belarus würde Österreichs Wertschöpfung laut IHS um rund ein Prozent dämpfen. In der Winter-Prognose war fürs zweite und dritte Quartal 2022 noch ein kräftiger Anstieg des BIP erwartet worden, nun sieht das Institut nur noch eine Zunahme um 0,1 bzw. 0,2 Prozent gegenüber dem jeweiligen Vorquartal. Im ersten Quartal dürfte das Wachstum laut Wifo noch kräftig gewesen sein.
Gedämpft werden - nach dem Exportboom 2021 - die heimischen Ausfuhren durch die Produktionsprobleme wegen Lieferengpässe und Materialmangels. Neben dem überwiegenden Wegfall Russlands im Außenhandel sind auch andere Warengruppen betroffen, so das Wifo. Der kräftige Lageraufbau Vorprodukten und Energie stütze aber die Importdynamik. Dennoch hat das Wifo seine Erwartungen für den Zuwachs der Warenexporte für heuer gegenüber Dezember von 5,0 auf 3,0 Prozent gesenkt und für die Exporte insgesamt von 8,5 auf 6,1 Prozent real.
Arbeitsmarkt entwickelt sich gut
Treiber des Wachstums in Österreich dürfte heuer der Privatkonsum bleiben. Durch die Corona-Nachholeffekte wird er zwar stärker als 2021 wachsen, dennoch haben Wifo und IHS ihre Erwartungen wegen der starken Teuerung deutlich gesenkt. Das Wifo sieht die privaten Konsumausgaben heuer real um 3,9 Prozent steigen - sofern gegen Covid gelindere Mittel als Lockdowns eingesetzt werden - im Dezember rechnete man noch mit 6,3 Prozent Plus. Beim IHS geht man von nur 4,7 statt 5,1 Prozent Zuwachs aus. 2021 gab es wegen Corona nur 3,3 Prozent Anstieg.
Die heimische Güterproduktion wird heuer stark beeinträchtigt. Das Wifo befürchtet eine Stagnation. Im Dezember glaubte es für heuer noch an 3,2 Prozent Zuwachs - nach einer kräftigen Erholung um 8,7 Prozent im vorigen Jahr.
Der Arbeitsmarkt befindet sich laut Wifo schon in einer Hochkonjunktur-Phase. Im Prognosezeitraum bis 2023 dürfte die Arbeitslosenquote weiter zurückgehen, weil die Industrie auf Kurzarbeit setzen werde: Arbeitslosigkeit und Beschäftigung würden also schwächer auf den Ukraine-Konflikt reagieren als die Produktion. Vor allem aus Sicht des IHS erholt sich der Arbeitsmarkt rascher: Heuer glaubt man an einen Rückgang der nationalen Arbeitslosenquote von 8,0 auf 6,5 Prozent, im Dezember rechnete man erst mit 7,1 Prozent. Beim Wifo verbesserte man die Erwartung auf 6,7 nach zuvor 7,2 Prozent. Zudem würden hoher Arbeitskräftebedarf plus die sehr hohe Inflation 2023 zu einem kräftigen Anstieg der Pro-Kopf-Löhne um knapp 5 Prozent führen.
Sorge vor Stimmungsabschwung
Das Defizit des Gesamtstaates sehen die Fachleute nun höher als zuletzt - das Wifo bei 2,4 bzw. 1,1 Prozent des BIP, das IHS bei 2,3 bzw. 1,7 Prozent. Das IHS verweist auf den langsameren Aufschwung und Mehrausgaben durch den Ukraine-Krieg, das Wifo auf Mehrausgaben aus dem regionalen Klimabonus, der Grundversorgung und Integration der Flüchtlinge, Maßnahmen zur Abfederung der stark gestiegenen Inflation und der Covid-19-Investitionsprämie.
Für die heimische Konjunktur sieht das IHS in seiner Prognose Abwärtsrisiken, etwa falls die Privathaushalte nicht mit einer Senkung der Sparquote reagieren, sondern sich die Konsum- und Investitionsneigung durch hohe politische und wirtschaftliche Unsicherheit verringern sollte. "Die Stimmung der heimischen Bevölkerung könnte erneut in eine Art Krisenmodus wechseln", meint das Wifo, falls kräftige Preisanstiege das Verhalten ändern. Es könnten dann die Ausgaben für nicht unmittelbar lebensnotwendige Güter und Dienstleistungen, etwa Tourismus, sinken und nur die Nachfrage nach Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs steigen.
Starke Beeinträchtigung bei Gas-Ausfall
Ein kompletter Wegfall der russischen Gaslieferungen würde mit hoher Wahrscheinlichkeit die heimische Industrieproduktion stark beeinträchtigen, warnt das IHS. Eine spürbare Drosselung oder Unterbrechung könnte laut Wifo neben disruptiven Folgen für die Produktion auch die Erzeuger- und Verbraucherpreise kräftig steigen lassen. 2023 könnte die Inflation höher als erwartet sein, so das IHS. Eine stärkere Abgeltung in der kommenden Lohnrunde könnte die Lohnstückkosten und den Preisdruck erhöhen, also zu einer Lohn-Preis-Spirale führen.
Weiter Risiken durch Covid
Weiterhin Risiken sieht das Wifo auch durch Covid. Es sei nicht auszuschließen, dass sich das Infektionsgeschehen im Herbst wieder deutlich beschleunigt und gefährlichere Virusvarianten auftreten. Das könnte erneut Einschränkungen nach sich ziehen, bis hin zu weltweit immer wieder lokalen Produktionsstopps. Auch das IHS warnt, dass ein erneutes Corona-Aufflammen Eindämmungsmaßnahmen erforderlich machen könnte.
Auch die Weltwirtschaft steht ganz im Banne des Ukraine-Krieges und den Sanktionen gegen Russland. Die Energie- und Rohstoffpreise haben kräftig angezogen - bis hin zu Nahrungsmitteln. Zudem hätten die Sanktionen von EU und USA zu Einschränkungen im Warenhandel und Produktionsbehinderungen geführt, so das Wifo. Die globalen Lieferketten-Probleme, die sich eigentlich Anfang 2022 schon etwas entschärft hätten, dürfte durch die Sanktionen und Produktionsausfälle in der Ukraine "wieder zunehmen und länger anhalten als bisher erwartet". Die EU-27 sieht das Wifo heuer um 3,3 Prozent wachsen, die Eurozone um 3,2 und Deutschland um 2,6 Prozent.
Beim IHS geht man von 3,4 Prozent BIP-Plus in den EU-27 für heuer aus, von 3,3 Prozent im Euroraum und 2,5 Prozent in Deutschland. Der Welthandel werde heuer nur um 3,0 Prozent expandieren, nach noch über 10 Prozent im vergangenen Jahr. Den Rohölpreis sieht man heuer im Jahresschnitt bei 104 Dollar pro Fass, nach 71 Dollar 2021.