In vielen Branchen sorgen brüchige Lieferketten und fehlende Rohstoffe für Versorgungsprobleme. Wie ist der Status quo im Lebensmittelhandel? Befürchten Sie auch bei Spar Engpässe?
FRITZ POPPMEIER: Die Versorgung ist derzeit gut, das wird auch so bleiben. Der fürchterliche Krieg in der Ukraine sorgt aber für einen großen Druck auf die Energiekosten, der auf der gesamten Kette lastet und den alle spüren, Haushalte, Händler, Produzenten. Derzeit ist die Energieversorgung ja noch intakt, den Preis treibt die Sorge, dass sich das ändern könnte.

Wie steht es um die Warenversorgung im Nahrungsbereich?
Es gibt große Fabriken in der Ukraine, für manche Rohstoffe, von Weizen über Sonnenblumenkerne bis hin zu Honig, ist die Ukraine ein großer Versorger. Das wird vielleicht eine Auswirkung auf die eine oder andere Rezeptur haben und das wird sich in den nächsten Wochen und Monaten auf die generelle Verfügbarkeit von Pflanzenölen auswirken. Aber sonst wird es, da bin ich zuversichtlich, jedenfalls bei der Spar-Gruppe eine breite, vielfältige Versorgung wie gewohnt geben. Wir werden auch alles tun, dass gute Lebensmittel für alle leistbar bleiben.

In einigen Ländern, etwa in Italien, ist es aber auch bereits zu Schlangen vor den Supermärkten gekommen. Ist das in Österreich auch denkbar?
Die Pandemiejahre haben den Konsumentinnen und Konsumenten gezeigt, dass es keinen Grund gibt, an der Versorgung zu zweifeln. Wir spüren im Moment keine Hamsterkäufe.

Was beschäftigt den konzerneigenen Krisenstab derzeit am stärksten?
Ganz allgemein sind das die Bereiche Logistik und Beschaffung. Das eine ist die Verfügbarkeit, das andere die Preiserstellung – da sehen wir derzeit einen Druck wie eigentlich noch nie. Aber in der Krise bedeutet das, dass wir uns noch mehr anstrengen müssen. Es gibt keine Familie, keinen Betrieb, kein Land, das aus einer Krise mit weniger Arbeit herauskommt. Und wir, 90.000 Mitarbeiter und alle Partner, strengen uns mächtig an, dass wir die Versorgung und gute Preise halten können. Mein Appell ist, dass sich auch der Staat anstrengt.

Wo muss sich der Staat aus Ihrer Sicht mehr anstrengen?
Anstrengen heißt nicht, dass er einfach Steuergeld hinausschießt, sondern dass er auch schlanker und effizienter wird – und mit weniger auskommt. Am wichtigsten wäre jetzt eine Senkung der Lohnnebenkosten. Es muss das Ziel sein, dass die Leute gerne arbeiten. Da gehört neben der Stimmung, dass Arbeiten für die Gesellschaft und für einen selbst unheimlich wichtig ist, auch dazu, dass den Menschen mehr Geld übrig bleibt.

Sind Lohnnebenkostensenkungen drängender als die diversen Energie-Entlastungspakete?
Aus meiner Sicht schon, das ist der ganz große Hebel. Den Ball einfach nur immer zu den Unternehmen hinüberzuspielen und zu sagen, erhöht doch einfach die Löhne, ist zu wenig. Die große Maßnahme ist wirklich die Entlastung von Arbeit, es muss netto genug herauskommen.

Die Inflation steigt rasant, wie geht es dem größten Lebensmittelhändler im Land mit dem Spannungsfeld zwischen Produzenten und Lieferanten, die höhere Preise erwarten und Konsumenten, die entsprechend günstige Preise in den Supermärkten haben wollen?
Wir sehen in den letzten Wochen, dass die Inflation allgemein, aber auch die Lebensmittelinflation anzieht. Bestimmte Dinge müssen weitergegeben werden. Aber die letzten zwei Jahre zeigen auch, dass die Lebensmittelpreisentwicklung inflationsdämpfend wirkte. Auch die Versorgung in Österreich, vom Bodensee bis zum Neusiedlersee, vielfach klein strukturiert von kleinen Supermärkten mit Bedienung, kleinen Bauernhöfen, die exzellente Produkte liefern, ist sehr gut. Da sind wir, meiner Meinung nach, in der Zusammenarbeit von Bauernschaft und Handel die Nummer eins in Europa. Dafür jammern wir aber fest, vor allem von Regierungsseite …

Es gab zuletzt regelmäßig scharfe verbale Scharmützel zwischen Landwirtschaftsministerin Köstinger und den Handelsketten – Stichwort Marktmacht des Lebensmittelhandels. Die Ministerin sprach von „erpresserischen Zuständen“ gegenüber Lieferanten. Sie haben derlei „aggressive Aussagen“ zurückgewiesen – ist das Klima seither besser geworden?
Das Klima hat sich überhaupt nicht gebessert. Ich schätze Bundesministerin Köstinger als Person und Politikerin, aber sie fokussiert nur auf Überschriften, dahinter kommt dann oft wenig. Und sie konzentriert ihr Lobbying auf genossenschaftlich organisierte Verarbeiter. Nicht auf die Bauern. Jede negative Aussage in diesem Markt in Österreich, dass die Schnittstelle Handel zu Bauern nicht funktioniert, schädigt das Kundenvertrauen. Es gibt für Bauern und Supermärkte nichts Schlimmeres.

Trotz aller gesamtwirtschaftlichen Unwägbarkeiten ist aus fast allen Branchen zu vernehmen, dass Mitarbeiter fehlen. Wie geht es Spar damit?
Grundsätzlich haben wir eine hohe Identifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem, was wir tun. Aber wir spüren im Moment die Covid-Ausfälle ebenso wie den Umstand, dass es in Summe weniger Bewerbungen gibt.

Wie viele Stellen könnten Sie österreichweit, wo Spar fast 50.000 Mitarbeiter beschäftigt, sofort zusätzlich besetzen?
Wir könnten sofort 300 weitere Lehrlinge aufnehmen und sicher zusätzlich 1000 Leute einstellen.

Nach Investitionen über 750 Millionen Euro im Jahr 2021 sollen es heuer 800 Millionen Euro werden – wo liegen die Schwerpunkte?
Ein ganz großer Teil fließt in das Wachstum und die Modernisierung sowie die Logistik. In der Standortstrategie in Österreich liegt ein Fokus auf den Landeshauptstädten und der Bundeshauptstadt. Neben der Expansion in neue Standorte setzen wir auf organisches Wachstum, also dass aus Supermärkten Eurospar-Märkte werden und Eurospar- zu Interspar-Standorten weiterentwickelt werden. Als Lebensmittelhändler sind wir auch in vier umliegenden Ländern aktiv. Besonders erwähnenswert sind sicher Investitionen in Italien, in der Emilia-Romagna und der Lombardei.

Als Konsument fällt aber auch auf, dass im Lebensmittelhandel unheimlich viel Plastikverpackung zum Einsatz kommt. Das Müllaufkommen ist enorm, ist Bequemlichkeit wichtiger als die Frage der Verwertbarkeit?
Es gibt vier Säulen, wo wir im Umweltschutz etwas verändern können: beim Transport, im Bereich Bau, Energie und Technik sowie beim Thema Anbau und eben bei der Verpackung. Gerade bei Plastik wollen wir so viel wie möglich überhaupt vermeiden. Wir setzen ja ganz stark auf den offenen Verkauf in der Feinkost in Bedienung und bei Obst und Gemüse und arbeiten gemeinsam mit der Industrie und bei Eigenmarken daran, Plastik zu reduzieren und es möglichst in einen Wiederverwertungskreislauf hineinzubekommen. Plastik ist aber nicht nur böse. Das zeigt sich bei einigen Frischeprodukten. Nehmen wir das Beispiel der Gurke, wenn die nicht in Plastik verpackt wird, wirkt sich das massiv auf die Haltbarkeit aus – und damit steigt der Warenverlust.

Die Bio-Umsätze steigen kräftig. Geht das so weiter oder könnte das durch die allgemeine Teuerung eingebremst werden?
Trotz der furchtbaren Rahmenbedingungen, Stichwort Ukraine-Krieg, sind die Themen bewusster Essen, bewusster Leben und achtsamer mit der Umwelt umgehen, riesig. Das geht auch nicht zurück. Bio ist deutlich besser und nur ein bisschen teurer. Ich glaube, eine der Erkenntnisse dieser Krise war und ist: Das kann und will ich mir leisten. Die Qualität, die hier in Österreich produziert wird, ist toll. Das muss auch sichtbar sein.

Wie?
Wir setzen uns für Transparenz ein, wir sind und wollen auch Vorreiter bei der Herkunftskennzeichnung sein. Wir machen das in den Supermärkten und werden im Mai auch in den Interspar- und Maximarkt-Restaurants beginnen, Fleisch, Milch, Eier nur aus Österreich anzubieten und zu kennzeichnen – und zwar flächendeckend.