Für Gaslieferungen aus Russland müssen Kunden in EU-Staaten künftig in Rubel bezahlen. Der russische Präsident Wladimir Putin wies am Mittwoch die Regierung an, keine Zahlungen in Dollar oder Euro mehr zu akzeptieren. Die Lieferungen würden weiter in vollem Umfang gewährleistet, versicherte der Kremlchef in einer Videokonferenz der Regierung, die im Staatsfernsehen übertragen wurde. Eine Zahlung für russische Waren in Devisen habe ihren Sinn verloren. Wifo-Experte Thomas Url und Raiffeisen Research Chefanalyst Peter Brezinschek beurteilen den Schritt unisono als Versuch, den Rubel zu stärken.
Betroffen sind demnach die von Russland auf einer schwarzen Liste festgehaltenen "unfreundlichen Staaten". Dazu gehören Österreich, Deutschland und alle anderen EU-Staaten, aber etwa auch die USA, Kanada und Großbritannien. Die Ankündigung sorgte prompt für eine Stärkung der russischen Währung, die massiv unter Druck steht. Allerdings müssen russische Unternehmen schon jetzt 80 Prozent ihrer Exporterlöse umgehend in Rubel umtauschen. Jetzt legt die russische Regierung offenbar nach und dreht zwar nicht am Gashahn, aber zieht die Eskalationsschraube einen Gewindegang nach.
"Wenn ein Staat das macht, wird sich ein Importeur im Westen nicht erwehren können," so Url. Einen Rubel-Markt gibt es im Interbanken-Markt praktisch nicht, vor allem nicht in den Mengen, die für die Gaslieferungen notwendig sind. "Weil man in Russland auf die Devisen nicht oder nur zum Teil zugreifen kann, ist das eine logische Verhaltensweise," sagt Brezinschek. Deshalb wolle Russland den Rubel-Kurs durch die Nachfrage von ausländischen Devisen stabilisieren. "Man übt Druck aus, um zumindest einen Teil der Sanktionen aufzuheben," erklärt Url.
Eine Woche Zeit
Die Zentralbank und die russische Regierung hätten nun eine Woche Zeit, die Modalitäten für die Umstellung von Devisen- und auf Rubelzahlungen festzulegen, sagte Putin. Der Westen habe selbst seine Währungen entwertet, indem russische Aktiva im Ausland eingefroren worden seien. Der Rubel legte daraufhin zum Dollar gleich um 5,5 Prozent zu.
Als Reaktion auf die Sanktionen des Westens hatte die russische Regierung bereits Anfang des Monats beschlossen, dass eigene finanzielle Verpflichtungen bei "unfreundlichen Staaten" nur noch in Rubel beglichen werden. Darunter sind auch die Ukraine, die Schweiz und Japan.
Kontrollierbare Auswirkung
Das Klimaschutzministerium prüfe bereits die möglichen Auswirkungen dieser Ankündigung. Aus derzeitiger Sicht sei davon auszugehen, dass eine etwaige Umstellung der Zahlungen für russisches Gas von Euro auf Rubel kontrollierbare Auswirkungen auf Österreich hätte. Gleichzeitig müsse Österreich darauf achten, dass damit die europäischen Sanktionen gegenüber Russland nicht ausgehebelt werden. "Die aktuelle Situation führt uns aber wieder einmal schmerzlich vor Augen, wie erpressbar Österreich die Abhängigkeit von russischem Gas gemacht hat", schreibt das Ministerium.
Der Schritt Putins zwinge so den Westen, sich weiter mit der russischen Währung zu beschäftigen, so Gunter Deuber, Leiter von Raiffeisen Research, zur APA. Die EU könnte eventuell gezwungen sein, ihre Sanktionen gegen Russland und die Zentralbank im Zahlungsverkehrsbereich zumindest teilweise zu überdenken.
An den Märkten sei eher mit einem Exportstopp russischer Rohstoffe, etwa bestimmter Industriemetalle, auf die Europas Industrie angewiesen ist, gerechnet worden, erklärt Deuber. Für die EU bedeute das, selbst mit Rubel handeln zu müssen, wenn man mit Russland Gasgeschäfte machen wolle. Damit stelle sich eben auch die Frage, wie tief man die russische Notenbank sanktionieren könne, da man für den Währungshandel Zahlungskanäle und Tauschmöglichkeiten brauche. Jedenfalls könne der Westen Russland nun nicht komplett isolieren, erwartet Deuber.
Eskalation des Wirtschaftskriegs
Der Schritt Putins sei eine Zuspitzung des ökonomischen Konfliktes mit dem Westen, urteilt der deutsche Ökonom Jens Südekum im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Das ist eine Eskalation des Wirtschaftskrieges. Diese Breitseite haben nicht viele erwartet."
Für Südekum stellt dies einen klaren Vertragsbruch dar. "Für Gaslieferungen gibt es langfristige Verträge, die auf Dollar lauten", sagte der Professor am Institut für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. "Wenn Putin nun erklärt, er akzeptiere nur noch Rubel, bricht er diese Verträge." In irgendeiner Form werde der Westen nun reagieren müssen. "Ein Embargo von Energieimporten aus Russland ist nun wahrscheinlicher geworden." Davor warnt Url allerdings: Ein Aus für Gaslieferungen aus Russland, "das hätte in Österreich disruptiven Charakter."
Die Gasmengen, die die OMV von der Gazprom bezieht, wurden bisher immer in Euro beglichen. "Das müssen wir auch weiterhin so machen," sagt OMV-Pressesprecher Andreas Rinofner. Bis zum Abend habe der Vertragspartner Gazprom Export die OMV auch nicht informiert. Am Abend wird ein Gespräch mit OMV-Chef Alfred Stern auf dem TV-Sender Puls 24 ausgestrahlt. Vorab wird er mit der Aussage zitiert, dass man in Euro zahlen werde: "Natürlich. Wir haben keine andere Vertrags-Grundlage, ich dürfte so etwas gar nicht."
Sanktionen unterlaufen
Würde der Westen dem russischen Ansinnen Folge leisten, müsste er seine eigenen Sanktionen wegen des Krieges gegen die Ukraine unterlaufen und Rubel bei der russischen Zentralbank holen. "Die ist aber eigentlich sanktioniert worden", betont Südekum. "Das kann man deshalb eigentlich nicht machen."
"Putin sendet damit zunächst einmal ein politisches Signal", meint Analyst Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX am Mittwoch. "Letztlich handelt es sich wohl um eine Retourkutsche auf die verhängten Sanktionen des Westens."
Stützt den Rubel
Die USA und andere westliche Länder hatten als Reaktion auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine unter anderem einen großen Teil der russischen Währungsreserven eingefroren. Putin sagte dazu am Mittwoch, der Westen habe seine Währungen mit diesem Schritt selbst entwertet.
Der Rubel ist seit der Invasion Russlands und den Sanktionen des Westens stark unter Druck geraten und auf historische Tiefstände gefallen. "Wird die Gasrechnung künftig nicht mehr in US-Dollar oder Euro beglichen, stützt das natürlich den Rubel, weil dieser nachgefragt wird", so der Experte. Das könnte auch der angeschlagenen russischen Wirtschaft zugutekommen.
Inwieweit die Liquidität am Rubelmarkt derzeit ausreiche, um alle Gasrechnungen in der russischen Währung zu begleichen, sei schwer zu sagen, ergänzt Umlauf. "Besonders tief dürfte der Markt nicht sein, weil ja alle westlichen Länder faktisch außen vor sind." Allerdings könne die russische Notenbank theoretisch unbegrenzt Rubel drucken und an die Gas-Käuferländer gegen Devisen abgeben, wobei der Umtauschkurs fraglich sei. Umlauf: "Die russische Notenbank wird schon einen Weg finden, das in die Wege zu leiten."
Habeck wirft Putin Vertragsbruch vor
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat Russlands Präsident Wladimir Putin wegen der Ankündigung, dass Gaslieferungen künftig in Rubel bezahlt werden müssen, einen Bruch von Verträgen vorgeworfen. Die deutsche Regierung werde darüber nun mit europäischen Partnern beraten. Habeck machte deutlich, dies zeige einmal mehr, dass Russland kein stabiler Partner ist.