Es wäre eine einfache Logik: Ein Stromerzeuger, der einen großen Teil der Energie aus Wasserkraft schöpft, müsste den Preis-Irrsinn an den internationalen Strombörsen und Gasmärkten doch gar nicht in vollem Umfang mitmachen und könnte seinen Kunden niedrigere Preise anbieten. Ein Gedanke, der sich spätestens dann aufdrängen könnte, wenn der Verbund, wie am Donnerstag bekannt gegeben, 2021 einen Nettogewinn von 874 Millionen Euro eingefahren hat, 38 Prozent mehr als 2020. Und schon jetzt ist angesichts der extremen Turbulenzen an den Energiemärkten klar, dass sich der Nettogewinn heuer wahrscheinlich verdoppeln, vielleicht sogar auf zwei Milliarden Euro erhöhen wird.

Warum gibt es also keine niedrigeren Verbund-Preise? "Die Antwort liegt im Wettbewerbsrecht und Kartellrecht auf der einen Seite, aber auch im Aktiengesetz", erklärt Verbund-Chef Michael Strugl. Vereinfacht ausgedrückt: Der Verbund muss alles mit den Stromhandelspreisen am Markt kalkulieren, die Endkundenpreise müssen auf den Marktpreisen basieren. Für Lieferverträge an den Strombörsen sind derzeit Besicherungen (Margining) in Milliardenhöhe zu hinterlegen, sagt Finanzchef Peter Kollmann. Der für Verbund viel teurere Einkauf an den Börsen führt Strugl zufolge dazu, dass man an Haushaltskunden derzeit nichts verdiene. "Im Gegenteil", sagt er. "Wir müssen deshalb die Preise erhöhen." Das ganze Absatzsegment sei stark unter Druck. Im Gegensatz zu anderen hebe man die Preise zeitverzögert erst im Mai an, auf Änderungskündigungen habe man völlig verzichtet.

Höhere Investitionen

Indirekt wird der Verbund zur Preisdämpfung beitragen. 365 Millionen Euro Dividende aus dem Gewinn 2021 erhält die Republik heuer, voraussichtlich noch viel mehr 2022. Dazu kommen deutlich höhere Köperschaftsteuerzahlungen. Strugl vergleicht die Größenordnungen mit den 600 Millionen Euro des ersten Energiekostenausgleichs Ende Jänner. "Hier gibt es schon ein Recycling in der Weise, dass die Ergebnisse der Republik zugutekommen." Für die nächste Entlastungsrunde plädiert Strugl wieder für Direktzuschüsse oder Abgabenreduktionen. Markteingriffe wie einen Preisdeckel lehnt er ab, ebenso Sondersteuern.

Bei den Investitionen will man kräftig zulegen. Drei Milliarden Euro sind für drei Jahre veranschlagt. Mögliche Zukäufe sind da noch nicht enthalten. Zuletzt hatte der Konzern Anteile an großen Photovoltaikanlagen und Windparks in Deutschland und Spanien erworben. Strugl: "Spanien ist in Europa der attraktivste Photovoltaik- und Windkraftmarkt." Die Ukraine, die bisher für Wasserstoffpläne eine Rolle gespielt hatte, fällt dagegen aus.

Gaskraftwerk Mellach im Dauereinsatz

Strugl mahnt mehr Tempo bei der Energiewende ein: "Wir wollen noch mehr machen, wollen noch schneller machen, brauchen aber die Hilfe der Politik und Behörden." Es dürfe nicht mehr passieren, nach jahrelangem Warten auf Genehmigungen dann die entsprechende Windturbine gar nicht mehr kaufen zu können. "Ein Treppenwitz der Energiewende", ätzt Strugl. Behörden bräuchten schnell mehr Personal. Es brauche einfachere Gesetze, teilweise habe man mit 15 Gesetzen zu tun, Zuständigkeiten gebe es bei Bund, Ländern und Gemeinden. "Wir müssen alle Kräfte bündeln", appelliert Strugl.

Das Gaskraftwerk Mellach wird gerade täglich gebraucht. Ein Viertel des österreichischen Strombedarfs kommt derzeit aus Gaskraftwerken. Das einstige Kohlekraftwerk Mellach ist nicht mehr aktivierbar.