"Ich will nicht nur schwarzmalen, aber ..." – Andreas Höller unterbricht den Satz. Überlegt. Und sagt dann doch: "Aber die Situation ist nun einmal ein Wahnsinn und sie wird sich wohl auch nicht so schnell bessern." Höller ist Platten- und Fliesenleger mit Betrieb in Gratwein und er fungiert auch als Bundesinnungsmeister der Hafner, Keramiker, Platten- und Fliesenleger. In seiner Branche ist seit zwei Wochen, seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, fast nichts mehr so, wie es einmal war. Im Produkt der Fliese spiegeln sich die Folgen von Abhängigkeiten, brüchigen Lieferketten und explodierenden Energiepreisen derzeit besonders grell wider.
Gut 50 Prozent der Rohstoffe, die für die Fliesenproduktion in Europa, vor allem in Italien, Spanien, Deutschland und Tschechien, nötig sind, kommen aus der Ostukraine, sagt Höller. Dabei gehe es um Tonerde, vor allem Kaolin (auch Porzellanerde genannt). Das falle nun alles weg – mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Verfügbarkeit und die Preise.
Die Folgen bekommen die Fertigungsindustrien, der Großhandel, die Handwerksbetriebe und auch die Konsumenten zu spüren. "Wir sehen momentan wöchentliche Preiserhöhungen", sagt Höller. Im Großhandel sei es sogar so, dass man mit dem Etikettieren der Preise nicht mehr nachkomme, berichtet Wolfgang Fladl, Filialleiter bei der C. Bergmann KG. "Wir verweisen jetzt auf unsere Homepage, wo dann jeweils die tagesaktuellen Preise angegeben werden." Fladl spricht von "einer schwierigen Spirale". Derzeit nutze man die Lagerkapazitäten voll aus und versuche, diese noch zu erhöhen. Gegenwärtig sei die gesamte Branche mit drei gravierenden Problemen gleichzeitig konfrontiert: Neben der direkten Rohstoffabhängigkeit und den immensen Strom- und Gaspreisen komme auch das Logistik- und Transportthema hinzu, "die Dieselpreise belasten massiv, und es fehlen Lkw-Fahrer", so Fladl. Gerade in der Fliesenproduktion komme aufgrund der speziellen Herausforderungen besonders viel Gas zum Einsatz.
Bestimmte Produkte gibt es nicht mehr
Große Unternehmen der Fliesenindustrie mit ihren riesigen Brennöfen würden ganze Bereiche einstellen, das Sortiment teilweise halbieren, kleinere Hersteller hätten vielfach bereits kapituliert und die Fertigung eingestellt. "Das heißt dann mitunter auch, dass es bestimmte vorbestellte Produkte plötzlich einfach nicht mehr gibt." Höller spricht von einer "Kettenreaktion", mit der daher auch die 2550 österreichischen Fliesenleger-Betriebe konfrontiert seien. Dass Preissteigerungen nicht 1:1 an Abnehmer im Handel oder Konsumenten weitergereicht werden können, sei ebenfalls ein Faktum, berichten Höller und Fladl.
Die Baukonjunktur – und damit auch die Auslastung im Baunebengewerbe – sei nach wie vor gut, auch wenn weiterhin Fachkräfte fehlen, das sei zumindest ein positiver Effekt, "aber die Herausforderungen bleiben enorm", sagt Höller.