Wegen der schweren Spannungen mit Russland will die EU so schnell wie möglich unabhängig von russischem Gas werden. Am Dienstag legte die EU-Kommission einen Plan mit Maßnahmen vor, um russische Gasimporte innerhalb von einem Jahr um zwei Drittel zu reduzieren. Es geht demnach darum, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen, neue Quellen für Gaslieferungen zu erschließen und den Energieverbrauch zu senken.
"Es ist Zeit, dass wir unsere Schwachstellen angehen und bei der Wahl unserer Energie schnell unabhängiger werden", sagte EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans. Und ergänzt: "Es ist hart, verdammt hart. Aber es ist möglich, wenn wir bereit sind, weiter und schneller voranzugehen als bisher". Der Krieg in der Ukraine zeige, wie dringend es sei, auf erneuerbare Energien umzusteigen.
Mehr als 40 Prozent des in die EU importierten Gases kommt aus Russland; besonders Deutschland ist von den russischen Importen abhängig. Die EU könne nach Schätzungen der Kommission noch deutlich vor 2030 ganz auf russisches Gas verzichten.
Es wird allerdings befürchtet, dass Russland Gaslieferungen kurzfristig von sich aus stoppen könnte. Am Montag hat Moskau erstmals offen gedroht, kein Gas mehr durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 zu liefern. Die EU-Kommission betonte erneut, dass die EU für den Rest dieses Winters auch im Fall eines russischen Gas-Lieferstopps auf der sicheren Seite stehe. Alle Regionen hätten Zugang zu mehr als einer Gasquelle und seien daher widerstandsfähiger. Im kommenden Winter sähe die Situation aber anders aus.
Habeck: "Schäden schwersten Ausmaßes"
Zugleich warnt der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck im Falle eines westlichen Embargos russischer Energielieferungen vor schweren Schäden für Deutschland. Der Grünen-Politiker sagte am Dienstag nach Beratungen der Energieminister von Bund und Ländern, man rede nicht über "individuelle Komforteinschränkungen", sondern über gesamtwirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Schäden "schwersten Ausmaßes". Diese könnten das Durchhalten von Sanktionen gefährden.
Deutschland habe sich in den vergangenen 20 Jahren in eine immer größere Abhängigkeit von fossilen Energieimporten aus Russland hineinmanövriert. "Das ist kein guter Zustand", sagte Habeck. Alle Anstrengungen der deutschen Regierung seien darauf gerichtet, diese Abhängigkeit so schnell wie möglich zu reduzieren, um dann gewonnene energiepolitische Spielräume auch sicherheitspolitisch einzusetzen. Das gelte für Öl, für Kohle und für Gas. "Wir werden diese Spielräume nutzen, sofern dann noch erforderlich, das russische Regime weiter in die Enge zu treiben."
"Wir können den Import russischen Erdgases Stand heute nur zum Teil ersetzen", heißt es auch vom deutschen Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft.
Österreich: "Ausmaß der Reduktion extrem ambitioniert"
Die österreichische Energieregulierungsbehörde E-Control begrüßte am Dienstagnachmittag die von der EU-Kommission präsentierten Ideen, weil es nun gelte, die Abhängigkeit rasch zu reduzieren.
"Allerdings erscheint das Ausmaß der Gasreduktion um zwei Drittel innerhalb eines Jahres als extrem ambitioniert", sagte Vorstandsdirektor Wolfgang Urbantschitsch: "Für die Umsetzung braucht es wohl mehr Zeit." Man müsse auch bedenken, dass eine Speicherbefüllung von mindestens 90 Prozent bei den jetzigen Großhandelspreisen einen massiven finanziellen Aufwand nach sich ziehe, der nur durch flankierende finanzielle staatliche Maßnahmen aufzubringen sei.