So leere Gasspeicher wie derzeit soll es so schnell nicht wieder geben. Mit 17 Prozent Füllstand sind Österreichs Gasreserven zwar nicht null, aber wie sich ein längerer Ausfall der russischen Gaslieferungen infolge des Krieges in der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland auswirken könnte, dieses Szenario ist leicht vorstellbar. Es müssten die großen Industrie-Abnehmer vom Netz genommen werden, damit die gesetzlich verankerte Versorgung der Haushalte sicher bleibt und auch die Stromerzeugung aus Gas weiter funktioniert. Gewessler hatte schon mehrfach den Ernst der Situation betont. „Wir sind an einem Punkt angekommen, wo der Markt an seine Grenze stößt“, so die Ministerin. Alle Marktspieler müssen jetzt bis Oktober Österreichs Speicher auf 80 Prozent Füllstand bringen. Dafür ist ein eigenes Gasbevorratungsgesetz geplant.
Dass das Gesetz erst jetzt im Angesicht einer möglicherweise eskalierenden Lage kommt, sorgt bei einigen großen Unternehmen in der Energiewirtschaft für Unverständnis und den Hinweis, eine höhere Bevorratung seit Langem urgiert zu haben. Tatsächlich dürfte die jahrzehntelang als komfortabel angesehene Lieferpartnerschaft zwischen der teilstaatlichen OMV und Gazprom das höhere politische Gewicht gehabt haben. An die Industrie wird inzwischen von mehreren Seiten der Appell gerichtet, für die nächsten Monate und den kommenden Winter viel mehr als in den vergangenen Jahren zur Bevorratung beizutragen. Lange Zeit war Gas auf den Märkten im Überfluss zu haben: Einkaufen am Spotmarkt bedeutete auch oft, es spottbillig zu bekommen. Gas speichern ist mit Kosten und Preisrisiken verbunden.
Gasrechnung könnte sich verdoppeln
Wie mit diesen Kosten im Zusammenhang mit dem geplanten Bevorratungsgesetz umgegangen wird, scheint im Detail noch völlig offen zu sein. Klar ist indes, diesem tiefen Eingriff in die seit gut 20 Jahren liberalisierten Marktmechanismen haben die Versorger Folge zu leisten. Der frühere E-Control-Chef Walter Boltz fürchtet, dass sich für Haushaltskunden die Gasrechnung im nächsten Winter verdoppeln könnte, sagte er in der ORF-Radioreihe „Saldo“. In der Kleinen Zeitung hatte er kürzlich für massive LNG-Flüssiggaskäufe plädiert. Woher bis zum Herbst das Gas in rauen Mengen kommen soll, wenn Russland den Hahn wider allen Beteuerungen doch zudrehen sollte, scheint noch fraglich.
Die EU-Kommission bemüht sich derzeit auf der ganzen Welt, Alternativen zu russischem Gas aufzutun. Mit Japan gibt es seit einigen Tagen eine Unterstützungsvereinbarung. Heute am Abend reist Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zusammen mit Gewessler sowie Rohstoffministerin Elisabeth Köstinger in die Vereinigten Arabischen Emirate. Titel der Reise: „Sicherstellung der Gasversorgung Österreichs.“ Das Emirat Qatar gilt neben den USA als relativ nahe liegender Hoffnungsmarkt für LNG, dort werden die Erzeugungskapazitäten massiv ausgebaut.
Als Abkehr von den Ausbauzielen der erneuerbaren Energien dürfe man das nicht einordnen, sagt Ökonom Christian Helmenstein und verweist auf den grünen Wirtschaftsminister Deutschlands, Robert Habeck. Der habe bereits sehr deutlich formuliert, dass in dieser Situation die Versorgungssicherheit Priorität haben müsse.
Claudia Haase