Der Einmarsch Russlands in die Ukraine und die darauf erfolgten westlichen Sanktionen zwingen Unternehmen mit Russland-Geschäften zur Entscheidung: Welche Zukunft hat ein Engagement noch in dem Land?

Russlands Vize-Ministerpräsident Andrej Belussow unterbreitete den Unternehmen drei Alternativen.

1. Bleiben und weiterarbeiten

"Das Unternehmen setzt seine Tätigkeit in vollem Umfang in Russland fort", erklärte er.

2. Anteile abgeben und später zurückkehren

Die zweite Möglichkeit: "Ausländische Inhaber geben ihre Anteile an russische Treuhänder ab und kehren später zurück", fügte er an und ergänzte. Die Treuhandlösung ist gefährlich, weil niemand garantiert, dass das Geschäft später wieder rückgängig gemacht und die Kontrolle zurückgegeben wird. 

3. Unternehmen stellen Tätigkeit ein

"Das Unternehmen stellt seine Tätigkeit gänzlich ein, schließt die Produktion und entlässt die Belegschaft." Alle drei Möglichkeiten bergen Risiken. Und bei einem Exit aus Russland drohen Abschreibungen und damit Verluste.

Firmen kommen unter die Räder

Wer bleibt, droht bei Sanktionen unter die Räder zu geraten. "Es ist ein komplizierter Prozess", sagt Darren Woods, Chef des US-Ölkonzerns ExxonMobil, der sich aus Öl- und Gasgeschäften mit Partnern wie dem russischen Konzern Rosneft im Volumen von vier Milliarden Dollar (3,6 Milliarden Euro) zurückzieht. Vorbereitungszeit blieb den Firmen kaum. Die Invasion in der Ukraine – welche Russland als "Spezialoperation" bezeichnet – zog unverzüglich Sanktionen der USA und Europas nach sich, die zahlreiche Wirtschaftsbereiche betrifft, vom weltweiten Zahlungssystem bis zu Hightech-Produkten.

Wie Exxon verlassen auch BP und Shell Russland.TotalEnergies will zunächst bleiben, aber nicht mehr investieren. Deutschlands Autobauer haben Produktion und Export gestoppt. Ikea hat seine Geschäfte geschlossen, will die Mitarbeiter aber noch drei Monate lang zahlen. "Westliche Firmen haben wahrscheinlich noch nie seit dem Sturz des Schahs im Iran so viel Geld wegen geopolitischer Entwicklungen verloren", schätzt der Chefvolkswirt von Renaissance Capital, Charlie Robertson.

Wer geht, steht vor der Frage, was dann mit den Geschäften passiert. Die Zahl möglicher Käufer ist begrenzt. Der britische Versicherer und Vermögensverwalter Royal London etwa hat angekündigt, seine Russland-Aktivitäten zu verkaufen. Unklar ist, wer zugreift.

Vize-Ministerpräsident Belussow brachte für Firmen, die ihre Koffer packen, die Möglichkeit eines Schnell-Insolvenzverfahrens ins Spiel, um einen Weiterbetrieb zu sichern. Das würde "die Beschäftigung und das Wohlergehen der Bevölkerung unterstützen, sodass Investoren die Funktion der Geschäfte aufrechterhalten können".

Kosten eines Rückzugs

Viele Firmen rechnen unterdessen noch aus, wie viel sie ein Rückzug aus ihren Russland-Geschäften kosten würde und wie hoch die Verluste ausfallen. Bisher kommen Unternehmen, Banken und Investoren auf eine Summe von mehr als 110 Milliarden Dollar, doch diese Zahl dürfte steigen.

Norwegens Staatsfonds hat bereits seine russischen Bestände im Volumen von rund drei Milliarden Dollar abgeschrieben. Sociète Générale kommt auf rund 20 Milliarden Dollar und erklärte zuletzt, über genügend Puffer selbst für ein Extremszenario zu verfügen. Die italienische Großbank UniCredit würde die Abschreibung ihres Russland-Geschäfts Insidern zufolge über eine Milliarde Euro kosten. Das Institut hat 2,3 Milliarden Euro an Eigenkapital bei ihrer russischen Tochter gebunden, etwa 3,7 Prozent des gesamten Eigenkapitals des Finanzkonzerns.

Die Deutsche Bank erklärte, sie habe ihre Geschäfte einem Stresstest unterzogen. Die Bank verfügt über ein großes Technologiezentrum in Russland und hat erst im Dezember ein neues Büro in Moskau eröffnet, ein Schritt, den sie damals als "signifikantes Investment und Bekenntnis zum russischen Markt" bezeichnet hatte.