Krieg in der Ukraine. Wie vermarktet man in einer so schwierigen Zeit und angesichts so furchtbarer Bilder ein Produkt wie den Tourismus? Muss man bei Werbesujets, die verwendet werden, vielleicht besondere Sorgfalt walten lassen?
LISA WEDDIG: Natürlich schaut man einmal mehr sehr sorgfältig drüber, ob die Worte, die man verwendet, in einer anderen Bedeutung stehen, als vorher. Von den Bildern her ändert sich zurzeit nichts. Man achtet einfach, dass die Wortwahl passt. Was wir wie alle anderen nationalen Tourismusorganisationen in Europa gemacht haben, ist der Stopp aller Aktivitäten in Russland und der Ukraine.
Bremst ein Krieg wie dieser die Reiselust der Menschen?
Aktuell sehen wir noch keine Auswirkungen in den Buchungen. Es kommt aber natürlich darauf an, wie sich alles weiterentwickelt. Wovon man schon ausgehen kann, ist, dass die internationalen Gäste aus den Fernmärkten wie den USA zögern werden. Denn für sie geht es um Europa, und Österreich liegt in Europa. Bei den Nahmärkten ist es auch schwer vorhersehbar. Wenn es um einen kurzen Zeitraum geht, wird es keine Auswirkungen haben, wenn es sich länger hinzieht, kann man damit rechnen.
Die Zeit jetzt ist herausfordernd. Sie haben aber ohnehin im Vorjahr in einer sehr herausfordernden Zeit bei der Österreich Werbung begonnen. Wie gut ist der Österreichische Tourismus durch die Pandemie gekommen?
Es war ein guter Moment anzufangen im Juni 2021, also genau die Zeit, zu der die Gastronomie und Hotellerie wieder geöffnet hat. Es haben wieder Aktivitäten stattgefunden, es gab Euphorie in der Branche. Österreich hat 2021 erst als 19. Land in Europa geöffnet, wir sind mit minus 60 Prozent gegenüber 2019 in das Jahr gestartet, haben dann aber eine Aufholjagd hingelegt und hatten den besten August aller Zeiten. Es waren so viele Gäste da, wie noch nie zuvor. Auch der Winter ist gut angelaufen, die Buchungen waren hervorragend – und dann kam der Lockdown, das hat uns noch mal zurückgeworfen. Mit einem Minus von 48 Prozent im Dezember sind wir Schlusslicht in Europa, holen jetzt aber langsam wieder auf im internationalen Vergleich.
In der Pandemie sind vor allem im Sommer so viele Gäste nach Österreich gekommen, wie noch nie. Wird man dieses Niveau halten und die Urlauber an Österreich binden können, oder werden mit den Öffnungen und der Möglichkeit auch wieder mit dem Flugzeug problemlos irgendwohin zu reisen, die Übernachtungen zurückgehen?
Wir hatten gerade im letzten Jahr einen sehr guten Inlandstourismus, aber auch extrem viele Urlauber aus Deutschland. Ich bin mir sehr sicher, dass wir einen Teil davon überzeugt haben, den Haupturlaub wieder in Österreich zu verbringen. Aber nichtsdestotrotz steigen die Flugkapazitäten ans Mittelmeer wieder. Und es werden sicher einige ihren Haupturlaub wieder dort verbringen. Ich denke, es wird ein gutes Miteinander sein. Und wir haben in Österreich, wenn die Bedingungen so bleiben, einen guten Sommer vor uns.
Wie wichtig sind die Russen als Gäste für Österreich?
Die Russen sind in Österreich an 14. Stelle von allen Ländern. Wir hatten 1,2 Millionen Nächtigungen vor Corona. Die Ukrainer sind an 20. Stelle, da hatten wir 560.000 Nächtigungen. Wien, Salzburg und Tirol sind die top drei Bundesländer, welche die Russen besuchen. 63 Prozent der Russen kommen im Winter, 37 Prozent im Sommer. Sie sind natürlich interessant, weil der Umsatz pro Tag pro Kopf, den sie ausgeben, deutlich höher ist, als der Schnitt. Die Russen sind sehr wertschöpfungsstarke Gäste, machen in Summe rund ein Prozent der Übernachtungen aus.
Was sind die größten Herausforderungen für die Österreich Werbung in den kommenden zwei bis drei Jahren?
Die größte Herausforderung ist, dass wir unsere Position im Wettbewerb behaupten. Alle Länder in Europa versuchen nach dem Restart im Tourismus Urlauber von sich zu überzeugen. In diesem starken Wettbewerb als Österreich sichtbar zu sein, das ist die Herausforderung. Und sich darauf einzustellen, dass die Menschen anders angesprochen werden. Die Weiterentwicklung des Marketings von Print und großen TV-Kampagnen hin zu digitalem, flexiblem Marketing. Der Anteil der Social-Media-Nutzer ist durch die Pandemie deutlich gestiegen. Im Jänner waren es 4,62 Milliarden weltweit. Das ist ein Anstieg von 10,1 Prozent innerhalb eines Jahres. Dementsprechend wird auch unsere Vermarktung in Zukunft verstärkt darauf ausgerichtet. Außerdem wollen wir Österreich noch stärker als Qualitätsurlaubsland positionieren, indem die Bildsprache und Wortwahl angepasst werden. Und die Weiterentwicklung der Tourismusbranche in der Digitalisierung wird eine wichtige Rolle spielen. Die Branche ist ja eine noch weniger stark digitalisierte. Da geht es darum, Betriebe und Destinationen auf dem Weg zu unterstützen. Wir müssen in einem globalen digitalen Datensystem denken, das auch interessant für internationale Player wie Google oder Apple ist.
Wie gut ist die Zusammenarbeit mit den Länderorganisationen? Kocht da eher jeder sein eigenes "Süppchen"?
Es stehen alle im Wettbewerb. Dadurch hat auch jeder seine Interessen. Trotzdem ist allen klar, dass der Kooperationsgedanke wichtig ist. Wir haben einmal im Monat einen digitalen Call mit allen Geschäftsführern, in dem wir uns zu den unterschiedlichsten Themen austauschen und auch festlegen, wo wir zusammenarbeiten können. Es ist ein gegenseitiges Lernen. So entwickeln sich die einzelnen Organisationen weiter.
Thema Regionalflughäfen. Haben solche wie Klagenfurt oder Graz einen Stellenwert, wenn es um das Incoming geht?
Wenn wir von den Nahmärkten sprechen, sind Auto und Bahn die Hauptanreiseverkehrsmittel. Und bei den Fernmärkten geht es über Hubs wie München oder Wien. Die internationalen Gäste befinden sich hauptsächlich in Wien und Salzburg.
Zukunftsmärkte für die Österreich Werbung?
Ein Markt, der für uns interessant werden wird, ist Israel, mit einem sehr jungen Publikum, das gerne reist und über ein gewisses Budget verfügt. Wir hatten schon vor Corona ohne Marketingmaßnahmen rund 800.000 Übernachtungen. Potenzial sehen wir auch in den Nahmärkten, in Polen und Tschechien, vor allem auch für den Wintertourismus. Momentan sind wir aber im Tourismus noch voll im Restart.
Der Fachkräftemangel im Tourismus ist eklatant – wie kann man gegensteuern?
Wichtig ist es jetzt vor allem, junge Menschen wieder für die Ausbildung im Tourismus zu begeistern.
Wie kommt es, dass eine Deutsche für Österreich Werbung macht?
Wie kommt eine Deutsche nach Österreich? Ich bin vor sieben Jahren über meinen vorherigen Job nach Österreich gekommen, habe mich hier immer wohlgefühlt. Dann kam vor einem Jahr die Ausschreibung der Österreich Werbung. Und es war für mich eine tolle Möglichkeit, vom Outgoing, wo ich vorher tätig war, ins Incoming zu gehen und meine internationalen Erfahrungen einzubringen.
Astrid Jäger