Die börsennotierte Raiffeisen Bank International (RBI) erwägt Insidern zufolge nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine dem russischen Markt den Rücken zu kehren. Das sagten zwei mit der Situation vertraute Personen zur Nachrichtenagentur Reuters. Unmittelbar geplant sei ein solcher Schritt zwar nicht. Es handle sich aber um einen Notfallplan, falls der russischen Tochterbank das Geld ausgehe, da lokale Unternehmen Liquidität oder Kapital einforderten. Die Bank dementiert.

Die RBI wollte den Bericht nicht im Detail kommentieren, hielt jedoch in einem kurzen Statement an die APA fest: "Die Raiffeisen Bank International hat keine Pläne Russland zu verlassen." Montagabend wurde jedenfalls spruchreif, dass die RBI vorerst keine Dividende für 2021 auszahlen wird und stattdessen den gesamten Bilanzgewinn von rund 380 Millionen Euro auf neue Rechnung vorträgt. Eine "nachträgliche Dividendenausschüttung" sei nicht ausgeschlossen. 

Die RBI zählt zu den größten Kreditgebern in Osteuropa. Würde man dem russischen Markt tatsächlich den Rücken zuwenden, wäre man die erste europäische Bank, die Russland verlässt. Zugleich würde sich die RBI vor weiterem Schaden schützen. Sie ist seit 30 Jahren in Russland tätig, seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion.

"Geschäft lässt man normalerweise fallen"

"In einer solchen Situation lässt man das Geschäft normalerweise fallen", sagte eine der mit der Situation vertrauten Personen. Denkbar wären in einem solchen Fall zwei Szenarien: Einerseits die Übertragung des Geschäfts in Russland an einen neuen Eigentümer oder andererseits die vorübergehende Einstellung der Aktivitäten in dem Land, sagte die Person. Ein solcher Schritt müsste aber in Abstimmung mit der russischen Zentralbank erfolgen, die möglicherweise ihre eigenen Bedingungen auferlegte, fügte der Insider hinzu.

"Bank versuchte zu beruhigen"

Eine Sprecherin der Bank wollte sich dazu auf Anfrage von Reuters nicht äußern. Am Vortag, als die Aktie der RBI an der Wiener Börse erneut auf Talfahrt war, versuchte die Bank noch zu beruhigen: In der Ukraine könne man derzeit die wichtigsten Bankgeschäfte aufrechterhalten. Die russische Tochter sei gut kapitalisiert und man verzeichne aktuell sogar Zuflüsse. Die russische RBI-Tochter erklärte gegenüber Reuters, die Bank wolle die Finanzdienstleistungen für die Kunden auf der Grundlage der bestehenden Gesetzgebung weiterhin ununterbrochen zur Verfügung stellen.

Der Schaden ist vorerst unklar

Der volle Schaden für die RBI war vorerst unklar. Ein Ausfall des Geschäftes in der Ukraine und Russland wäre für die Österreicher zwar schmerzhaft, aber verkraftbar, sagten die Insider. "Die große Herausforderung ist, dass der Bank die 'Cash cows' wegfallen", sagte eine Person. Die RBI habe schließlich in diesen beiden Märkten den Großteil ihrer Gewinne erwirtschaftet. Das Geschäft in Russland machte zuletzt fast ein Drittel des Nettogewinns der Gruppe aus. In der gesamten Region "Osteuropa", die Russland, Weißrussland und die Ukraine umfasst, hat die RBI laut Geschäftsbericht für 2021 rund 600 Millionen Euro Gewinn gemacht. Das entspricht knapp der Hälfte des im Vorjahr erzielten Konzerngewinns von 1,37 Milliarden Euro.

Aus einer Unternehmenspräsentation geht zudem hervor, dass die RBI 2,4 Milliarden Euro in die russische Tochter investiert hat, die Ende letzten Jahres über ein Vermögen von 11,96 Milliarden Euro verfügte. Unter der Annahme, dass diese Gelder abgeschrieben werden müssen, würde dies laut Berechnungen von Reuters der Gruppe nur etwas mehr als 100 Basispunkte von der harten Kernkapitalquote der Gruppe in Höhe von 13,14 Prozent kosten.

Das Finanzministerium in Wien versuchte ebenfalls zu beschwichtigen. "Die RBI ist eine sehr gut aufgestellte Bank mit einem exzellenten Management, die gut vorbereitet auf alle Eventualitäten ist", teilte das Ministerium auf Anfrage von Reuters mit. Die RBI und andere österreichische Banken würden seit Jahrzehnten Geschäfte in dieser Region machen und könnten mit dem Risiko gut umgehen. Die RBI gehört mehrheitlich den genossenschaftlich organisierten Raffeisenlandesbanken.