Die Ölpreise haben am Dienstag in einem angespannten Umfeld stark zugelegt. Im Verlauf des Vormittags stieg der Preis für Rohöl aus der Nordsee wieder über die Marke von 100 US-Dollar je Barrel (159 Liter) bis auf ein Tageshoch bei 102,32 Dollar. Gegen Mittag wurde ein Fass der Nordseesorte Brent bei 101,88 Dollar (90,97 Euro) gehandelt. Das waren 3,91 Dollar mehr als am Vortag.
Die europäischen Börsen sind am Dienstag wieder deutlich ins Minus gerutscht. Der Euro Stoxx 50 fiel bis gegen 12.15 Uhr um 2,54 Prozent auf 3.824,58 Punkte. Der deutsche DAX verlor 2,11 Prozent auf 14.156,30 Zähler. Der britische FTSE gab um 0,74 Prozent auf 7.403,29 Punkte nach. Der Krieg in der Ukraine und die möglichen Folgen der Sanktionen gegen Russland dürften weiter für hohe Unsicherheit an den Märkten sorgen.
Die russische Armee hat am sechsten Tag ihrer Invasion die massiven Angriffe gegen die beiden größten ukrainischen Städte Charkiw und Kiew fortgesetzt. "Der Nachrichtenfluss ist unkalkulierbar und so scheint nur eines sicher: Die Volatilität bleibt erhöht", schreiben die Analysten der Helaba am Dienstag.
"Nur wenige Anleger sind schon wieder bereit, sich inmitten der Unsicherheit über den weiteren Verlauf des Krieges in der Ukraine verstärkt zu engagieren", meint auch Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege beim Broker RoboMarkets. Steigende Energiepreise heizen zudem die Inflation-Sorgen an, zumal Sanktionen gegen den Energiesektor in Russland nach Angaben der US-Regierung weiter möglich sind.
Russland liefert im Moment mehr Gas
"Im Moment liefert Russland weiter Gas – sogar etwas mehr", sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) am Dienstag vor Journalisten. Möglicherweise nutze Russland noch die einfacheren Zahlungsvorgänge aus. Aber "wir werden auch danach in der Lage sein, Gas einzukaufen", versicherte die Ministerin. Auch wenn größere russische Banken vom weltweiten Zahlungssystem Swift ausgeschlossen seien, könnten "einzelne Zahlungen sehr wohl händisch abgewickelt" werden.
Die Sanktionen gegen Russland zusammen könnten die Wirtschaftsleistung des Landes um 10 bis 20 Prozent drücken, schätzt Christian Helmenstein vom Economica-Institut, insbesondere wenn sie länger aufrechtbleiben. Dabei schöpfe das Land schon jetzt sein Potenzial bei Weitem nicht aus. Die russische Wirtschaftsleistung (BIP) ist in Dollar etwas niedriger als jene Italiens. Hätte Russland mit seinen rund 145 Millionen Einwohnern pro Kopf das gleiche BIP wie Italien, wäre es die drittgrößte Wirtschaft der Welt – so liegt das große Land nur auf Rang elf. Trotz vieler Rohstoffe und einer gut ausgebildeten Bevölkerung bleibe Russland weiter unter seinen Möglichkeiten.