Update, 26.2.: Mittlerweile ist der russische Ausschluss vollzogen. Details dazu lesen Sie hier.
Was ist Swift und seit wann verwendet man die Technologie?
"Swift ist ein Netzwerk, über das Banken standardisiert und geschützt Informationen austauschen", sagt Roland Mestel vom Institut für Banken und Finanzierung der KF-Uni Graz. Das Kürzel steht für "Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication", im Einsatz ist die Technologie seit 1973. Erst aufgrund der dadurch normierten Zahlungsanweisungen landen die tatsächlichen Gutschriften auf den Bankkonten.
Über den Bank Identifier Code (BIC) auf der Bankomatkarte, eine der via Swift übermittelten Informationen, kommt jeder Bankkunde direkt mit dem Zahlungssystem in Berührung. Früher als "Bankleitzahl" bekannt, ist der BIC heute die eindeutig identifizierbare Adresse einer jeden Bank und wichtiges Zeugnis der Seriosität. Neben Banken verwenden aber auch Rohstoffhändler oder Wertpapier-Anbieter das System. In Summe greifen mehr als 11.000 Institutionen in 210 Ländern weltweit auf Swift zurück. Jeden Tag werden über das Netzwerk in Summe fünf Billionen US-Dollar auf Bankkonten angewiesen. Primär übrigens tatsächlich in US-Dollar. 40 Prozent der Transaktionen laufen in der Leitwährung.
Wieso könnte ein Ausschluss der russischen Banken Russland so stark treffen?
Zwar können russische Banken prinzipiell auch ohne Swift Überweisungen tätigen, die Geschäfte werden aber deutlich komplizierter und jedenfalls viel zeitaufwendiger. Technisch würden sämtliche BIC der russischen Banken gesperrt. In der Praxis droht dadurch, zunächst sämtliches Geschäft einzubrechen, das über Grenzen abgewickelt wird. Was selbst Russland mit seinem gigantischen Binnenmarkt gefährlich wird. Denn: 46 Prozent des russischen Bruttosozialprodukts hängt am Außenhandel.
Warum zögert die EU, den Swift-Ausschluss zu vollziehen?
Die Maßnahme gilt als besonders tiefgreifend, als "schärfstes Schwert" im Sanktionskasten. Dessen Einsatz möchte man wohl keinesfalls verfrüht bemühen. Zugleich würden die Sanktionen zwar tatsächlich russische Banken und damit die russische Wirtschaft treffen – "aber auch alle anderen, die über russische Bankkonten Geschäfte abwickeln", ergänzt Finanzwissenschaftler Mestel. Hat ein österreichisches Unternehmen etwa einen russischen Kunden mit russischem Bankkonto, kann dieser plötzlich nicht mehr bezahlen. Ebenso schwierig wird die Bezahlung der Gasrechnungen an russische Produzenten.
Österreich agiert neben Deutschland, Italien, Zypern oder Ungarn besonders vorsichtig, was einen russischen Ausschluss betrifft. Warum eigentlich?
Das hat primär einen Grund: Österreich ist wirtschaftlich besonders eng mit Russland verwoben, vor allem im Energie- und Bankenbereich. Schon in den letzten Tagen war immer wieder zu hören, dass sämtliche Sanktionen Österreich deswegen überproportional stark treffen würden. Wenig verwunderlich kam der heimische Börsenleitindex ATX am ersten Kriegstag besonders stark unter die Räder.
Zugleich verändert Österreich gerade die Position. Im Nationalen Sicherheitsrat etwa wurde die bisherige Haltung der Regierung gewissermaßen überstimmt. Am Freitagnachmittag heißt es jedenfalls: "Der Nationale Sicherheitsrat empfiehlt der Bundesregierung im Sinne der erklärten österreichischen Politik, Russlands Aggression härtest möglich zu sanktionieren, sich international für einen Ausschluss Russlands aus dem SWIFT System einzusetzen." Noch einen Tag vorher ließ Kanzler Karl Nehammer im Vorfeld des EU-Gipfels wissen, dass ein Swift-Ausschluss "weniger die Russische Föderation als die Europäische Union treffen würde". Heute twittert Nehammer: "Wir setzen uns dafür ein, dass Russland aus Swift ausgeschlossen wird".
Gibt es Alternativen zu Swift?
Seit 2014 und dem russischen Einmarsch auf der Halbinsel Krim entwickelt die russische Zentralbank das Zahlungssystem SPFS. Auch China bietet mit Cips (Cross-Border Interbank Payment System) eine Alternative zu Swift an. Die noch dazu sukzessive mit SPFS verbunden wird. Was wiederum ein weiterer Grund sein mag, warum die EU zögert. Geht Russland aus Swift raus, könnte es nämlich zugleich ein Turbo für SPFS und Cips sein.
Was könnte Russland im Falle eines Ausschlusses tun?
Eine Möglichkeit skizziert Sergej Hestanow vom Broker Otkritie Investizii im russischen Wirtschaftssender RBK. Hestanow zufolge könnten Zahlungen per Swift nach einem Ausschluss der russischen Banken etwa auf erstem Wege nach Kasachstan gelangen – und dort in das russische Zahlungssystem SPFS übertragen werden. Auch der Umweg über das oben beschriebene chinesische Zahlungssystem ist denkbar.
Warum entscheidet eigentlich die EU über einen Swift-Ausschluss?
Das hat mit der gesellschaftlichen Aufstellung von S.W.I.F.T. SCRL, dem Unternehmen hinter dem Netzwerk, zu tun. Dieses ist nämlich als belgische Genossenschaft konstituiert, hat den Hauptsitz in La Hulpe und muss sich daher an EU-Verordnungen halten. Die Genossenschaft selbst ist im Eigentum der Banken und versteht sich als politisch neutral.
Gab es bereits Swift-Sanktionen gegen andere Länder?
Ja. Im März 2012 wurden erstmals einzelne iranische Bankinstitute ausgeschlossen, Banken in Afghanistan haben seit der Machtübernahme der Taliban im vergangenen Jahr keinen Zugang mehr. Als gesamtes Land wurde bis dato nur Nordkorea ausgeschlossen. 2017 und im Zuge wachsender Besorgnis rund um das Nuklearprogramm des Staates.