Sie wettern heute auf Twitter gegen beschämend geringe "Sanktionen" – mit Anführungszeichen. Warum?

PETER BREZINSCHEK: Die Deutschen und die Italiener haben gebremst. Die Sanktionen werden auch nicht den gewünschten politischen Erfolg haben, sie stumpfen ab. Russland ist ohnehin tendenziell im Selbstisolationsmodus. Die stärkste Sanktion, die wir verhängen könnten, wäre, die russischen Energielieferungen so rasch wie möglich zu reduzieren. Das trifft Russland am meisten, das wäre unsere größte Waffe. Die Gaseinnahmen machen ein Drittel des russischen Budgets aus, damit kann man Putin viel mehr treffen als mit anderen Maßnahmen.

Wird der russische Überfall auf die Ukraine von Europa finanziert?

So kann man das nicht sagen. Aber eines ist schon klar: Je früher wir uns von russischem Erdgas emanzipieren, desto besser. So schnell kann Putin Pipelines nach China nicht aus dem Ärmel schütteln. Und die 600 Milliarden Dollar Währungsreserven, die er hat, sind schnell aufgebraucht. Wenn den Russen die Einnahmen aus dem Energieexport fehlen, wäre das deutlich härter, als sie von ein paar Sachen auszusperren. Es geht darum, das alte Geschäftsmodell Russlands als Energie- und Rohstoffexporteur zu gefährden. Erdöl und Nickel und andere Rohstoffe können wir schnell substituieren.

Russisches Gas jedoch nicht.

Das ist die zentrale Frage: Wie kommen wir aus der russischen Erdgaszange heraus? Da sollten alle möglichen Alternativen erwogen werden, auch die, stillgelegte Kernkraftwerke zu reaktivieren. Die Deutschen müssten da über ihren Schatten springen. Das nutzt dem Klimaschutz und reduziert die Abhängigkeit von russischem Erdgas.

An den Börsen ging es Freitag mit den Kursen teils wieder bergauf. Hat der Markt deutlich härtere Antworten des Westens erwartet?

Das glaube ich auch. Dazu kommen Meldungen von Unternehmungen, denen es ganz gut geht, auch der Börsengang von Porsche bringt Sonderbewegungen mit sich. Wobei sich die Frage stellt, ob VW das nicht ohnehin verschieben muss.

Womit müssen Anleger nun rechnen?

Es wird eine Hochschaubahn werden – mit Einbrüchen und raschen Erholungsphasen. Es wird zu hektischen Bewegungen kommen – wir werden uns für einige Zeit auf einem tieferen Niveau wiederfinden.

Einen schweren Wirtschaftseinbruch in Europa erwarten Sie aber nicht?

Es besteht kein Anlass zu Angst und Panik an den Märkten. Es wird insgesamt mehr Inflation und weniger Wachstum geben. Von einem Stagflationsszenario in Europa müssen wir aber nicht ausgehen.

Der Ausschluss russischer Finanzinstitute aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift kommt vorerst nicht. Wäre das ein schärferes Schwert gewesen?

Dazu habe ich eine ambivalente Einstellung. Wenn man das macht, wäre es sicher effektvoll. Dann gebe ich den Russen aber auch die Gelegenheit, uns das Gas abzudrehen, weil wir es ohnehin nicht mehr zahlen könnten.

Öl- und Gaspreise steigen, das wird die Energie nochmals verteuern.

Man wird sich daher eine vorübergehende Unterstützung für Unternehmungen überlegen müssen, so wie für Haushalte.