Die Lage in der Ukraine spitzt sich weiter zu. Direkt betroffen von den russischen Angriffen sind natürlich auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter österreichischer Betriebe, die in der Ukraine in Summe 200 Niederlassungen betreiben.
In Russland wiederum haben heimische Firmen gar 650 Niederlassungen – besonders eng ist die Verflechtung im Banken- und Energiesektor. Überproportional betroffen ist Österreich als Wirtschaftsstandort daher auch von den Sanktionen gegen Russland.
Wenig verwunderlich schildern viele Unternehmen in diesen Stunden dramatische Berichte. Hier finden Sie eine Übersicht, die regelmäßig aktualisiert wird.
Hirsch Servo: "Mitarbeiter verstecken sich"
Besonders aufwühlend schildert man die Lage in der Ukraine etwa bei Hirsch Servo. In der Nähe des Dämmstoff- und Verpackungswerks des Unternehmens in Tscherkassy gab es einen "Raketenangriff auf ein Munitionsdepot in unmittelbarer Nähe", wie es zur Kleinen Zeitung heißt. Daraufhin seien "natürlich alle Mitarbeiter nach Hause gegangen, verstecken sich dort, haben sich verbarrikadiert".
Eurogold: "Letzte Lkw wurden heute verladen"
Der Klagenfurter Nils Grolitsch ist Inhaber des Bügelbrettproduzenten Eurogold, in der Ukraine werden 1000 Mitarbeiter beschäftigt. Seit Mittwoch steht die Produktion in Zhytomyr. "Die letzten Lkw, die nach Europa gehen sollen, wurden heute noch verladen. Die Container in die USA sind gestoppt", erzählt Grolitsch.
"Viele Mitarbeiter sind geflohen. Jetzt wird es unübersichtlich. Es kommt Panik auf", berichtet Grolitsch von den aktuellsten Entwicklungen aus der Ukraine. Gemeinsam mit seiner Familie verließ Grolitsch selbst das Land bereits vor ein paar Tagen.
RBI: Rückstellungen und Absicherungen
"Unsere Banken in Russland und in der Ukraine sind gut kapitalisiert und finanzieren sich selbst", heißt es heute in einer Stellungnahme der in diesem geografischen Raum besonders stark engagierten Raiffeisen Bank International (RBI). Zudem habe man bereits im Vorfeld "Rückstellungen gebildet und unseren Rubel-Hedge erhöht sowie einen Hrywnja-Hedge eingerichtet". Sprich: Man sicherte sich gegen starke Kursverluste der russischen und ukrainischen Landeswährung ab.
An der Börse wird das indes heute nicht honoriert. Die RBI-Papiere gaben in Wien um knapp 20 Prozent nach.
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Gerot Lannach: Pharma von Sanktionen ausgenommen
Der frühere Wirtschafts- und Energieminister Martin Bartenstein ist mit seiner breit aufgestellten Unternehmensgruppe auch in Russland engagiert. "Im Pharmaindustriebereich haben wir rund fünf Prozent Russland-Business, das ist verkraftbar, aber doch signifikant." Es sei jetzt "mit allem zu rechnen". Man wisse zwar aus bisherigen Erfahrungen, dass "Arzneimittel im Regelfall vom Sanktionsregime ausgenommen sind, aber wenn der Zahlungsverkehr lahmgelegt ist, dann erübrigen sich diese Lieferungen".
Der Westen reagiere auf den "unverantwortlichen Angriffskrieg" mit Sanktionen, "die weit über das hinaus gehen, was wir bisher gesehen haben", so Bartenstein. Das heiße natürlich auch, "für Europa und speziell für Österreich, dass diese Sanktionen, auch bei uns Schmerzen verursachen werden. Doch die Sanktionen müssen solidarisch in jeder Form mitgetragen werden, da kann es keine Diskussionen geben", so der Ex-Minister.
Porsche Holding: Notbetrieb und Ausreisen
Die Salzburger Porsche Holding hat frühzeitig reagiert und das Unternehmen auf Notbetrieb umgestellt: Bereits letzte Woche wurden die österreichischen Mitarbeiter ausgeflogen bzw. außer Landes gebracht. Die ukrainischen Mitarbeiter befinden sich aktuell im Homeoffice, alle weiteren Maßnahmen werden mit den Behörden abgesprochen.
Höchste Priorität sei die Sicherheit der lokalen Mitarbeiter und Kunden, heißt es. Die Porsche Holding, ein auf Autohandel und Finanzierung spezialisiertes und international agierendes Unternehmen, ist in der Ukraine in drei Bereichen tätig: Großhandel (VW Pkw, LNF, Audi, Seat, Cupra) mit 105 Mitarbeitern, Porsche Inter Auto Ukraine (VW Pkw, LNF, Audi) mit 43 Einzelhandelsbetrieben und 97 Mitarbeitern, sowie die Porsche Finance Group Ukraine mit 65 Mitarbeitern.
Agrana: Schichtpläne werden adaptiert
Der Wiener Zuckerkonzern Agrana ist seit 1997 in der Ukraine tätig und beschäftigt dort rund 550 Mitarbeiter. Er verarbeitet in Vinnitsa (300 km südwestlich von Kiew) Früchte zu Fruchtzubereitungen für die Molkereiindustrie sowie zu Fruchtsaftkonzentraten für Getränkehersteller. Daneben betreibt die Agrana im westukrainischen Luka einen eigenen landwirtschaftlichen Produktionsbetrieb für Früchte für den regionalen Frisch- und Verarbeitungsmarkt. "Aktuell läuft die Produktion planmäßig, die Schichtpläne werden jedoch entsprechend der Situation adaptiert", so die Agrana. Man beobachte die Situation jedenfalls "sehr genau" und sei "auf verschiedene Krisenszenarien vorbereitet".
ÖBB: Noch keine Einschränkungen
Bei den ÖBB werden noch keine Einschränkungen beim Güterverkehr beobachtet. Sollte es zu Problemen kommen, will das Unternehmen Alternativstrecken nutzen. Etwa über Weißrussland oder die Türkei.
AUA: Alle Flüge gestoppt
Die Austrian Airlines (AUA) setzen als Reaktion auf die militärische Eskalation in der Ukraine alle Flüge in das Land mit sofortiger Wirkung aus. Auch die moldawische Hauptstadt Chisinau ist vom Flugstopp betroffen.
Strabag: Wenig Geschäft in Russland
Bei der Strabag wird betont, dass man die potenziellen Auswirkungen von Sanktionen "erst kommentieren kann, sobald diese umfänglich feststehen und bewertet wurden". Man könne aber die Größenordnung des Russland-Geschäfts skizzieren: "Russland macht weniger als ein Prozent unserer Konzernleistung aus. In der Ukraine sind wir nicht tätig und haben keine Niederlassungen."
A1: Nur in Weißrussland tätig
Telekom-Anbieter A1 ist in der Ukraine und Russland nicht aktiv, hat aber ein Tochterunternehmen in Weißrussland. Man biete dort "weiterhin unsere Telefonie- und Internetdienstleistungen an". Die bisherigen Sanktionen haben "A1 nicht getroffen", wie es heute aus dem Unternehmen heißt. Bei neuen Sanktionen müsse man dann "die aktuelle Situation prüfen". Denn: "Niemand weiß aus heutiger Sicht, was in zwei Wochen ist."
Fischer: Nach dem Brand der Krieg
Rund 1000 Mitarbeiter beschäftigt der österreichische Sportartikelhersteller Fischer in der Westukraine. Nach einem Brand vor eineinhalb Jahren musste die Produktionsstätte dort komplett neu aufgebaut werden. "Und alles während der Corona-Pandemie. Jetzt hofft man, dass zumindest zivile Einrichtungen oder die Wirtschaft weitgehend von russischen Angriffen verschont bleiben", schildert Fischer-Mitarbeiter Michael Puschacher. Ob die Situation für die Firma als existenzbedrohend erweisen kann? "Hoffentlich nicht."
Der Ukraine-Russland-Konflikt schwelt seit 2014. Und immer wieder wurde das auch den Fischer-Beschäftigten in Mukachevo vor Augen geführt. Puschacher: "Es gab Kollegen, die an die Front gegangen und von dort nicht mehr zurückgekehrt sind."
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