Selbst bei einer Eskalation des Ukraine-Russland-Konflikts würde weiterhin russisches Erdgas nach Europa kommen, ist Johannes Mayer von der österreichischen Regulierungsbehörde E-Control überzeugt. Es gehe niemand davon aus, dass Russland die Gaslieferungen unterbrechen werde. Selbst wenn das der Fall sei, wäre der Effekt für diesen Winter gering: Die Witterung der letzten Wochen sei günstig gewesen und die Speicher nicht so weit nach unten gegangen wie vorher gedacht, sagte der Ökonom vom Energieregulator. Die Regierung hatte zuletzt noch Szenarien gewälzt, wonach eine Verknappung durchaus zu Problemen führen könnte.

Mayer sieht diese Gefahr nicht. Auch, weil extrem viel Flüssigerdgas (LNG) nach Europa käme. Allerdings gehe man mit relativ geringen Gasmengen aus diesem Winter hinaus, und üblicherweise beginne im April die Einspeise-Saison. Die Gaspreise würden jedoch keinen Anreiz zum Einspeichern liefern, gab der Leiter der Volkswirtschaftsabteilung der Energieregulierungsbehörde am Montagnachmittag in einer Online-Diskussion der Berenberg Bank zu verstehen, denn die Preise für Winter und Sommer seien fast gleich.

Daher werde wohl in der EU diskutiert werden, ob man auch in den nächsten Winter mit so geringen Gasmengen in den Speichern gehen könne, wie das zuletzt der Fall gewesen sei. Italien und Ungarn hätten nationale Verpflichtungen dazu – Italien als Lehre aus der Gaskrise 2009 –, Österreich hat dies nicht. Vorteilhaft für Europa sei, dass es enorm gesteigerte LNG-Kapazitäten gebe und man über die Pipelines Erdgas in alle Richtungen leiten könne. "Europa ist besser aufgestellt, mit dem Risiko umzugehen", so Mayer.

Preiserhöhungen kamen noch gar nicht an

Bei den Endverbrauchern in den österreichischen Haushalten sind die primär durch Gasverteuerungen bedingten Erhöhungen der Stromgroßhandelspreise großteils noch gar nicht vollständig angekommen, weil sich die Händler bzw. Versorger für diese Kundengruppen schon ein, zwei Jahre im Voraus mit Strom eindecken. Für diese Kunden seien daher noch Verteuerungen zu erwarten, sagte Mayer: "Bei den Lieferanten sind erst 40 bis 50 Prozent der Preissteigerungen eingepreist." Bei den Industriekunden sei das anders: Da seien die Preisgleitungen viel kürzer, und es würden Verteuerungen relativ schnell einfließen.

Mit den Gaspreisen 1:1 mitgestiegen seien die Strompreise deshalb, weil die Stromproduktion aus Erdgas die teuerste sei und diese daher großteils übers Jahr die Strompreise definiere. Dadurch seien die Strompreise von früher 50 Euro je Megawattstunde (MWh) bis auf knapp 200 Euro je MWh inklusive CO₂-Kosten geklettert. Kurzfristig werde die Bedeutung von Gas auch für die Stromproduktion in Europa noch wichtiger – als Brückentechnologie, solang Strom aus den volatilen Erneuerbaren noch nicht ausreichend gespeichert werden kann –, langfristig gehe es aber Richtung Erneuerbare wie Wind- und Solarstrom: "Wir werden rascher wegkommen aus der Gasabhängigkeit, wenn wir die Erneuerbaren mehr ausbauen", so Mayer.

Es gehe jedoch auch Richtung Atom, verwies Mayer auf ein "Revival" in Frankreich, Finnland und Großbritannien, wodurch Gas ersetzt werden könnte. Die Zeiten von 4.000 bis 5.000 Stunden Gaskraftwerks-Einsatz im Jahr (von insgesamt 8.760 Stunden) seien aber wohl vorbei. Schnell startende Gaskraftwerke würden womöglich nur 300 bis 400 Stunden im Jahr eingesetzt.