Welche Folgen hätten die vom EU-Parlament abgelehnten Warnhinweise auf Flaschenetiketten gehabt?
ERICH SCHEIBLHOFER: Ich bin froh, dass das nicht gekommen ist, die Gestaltung der Etiketten wäre schwierig geworden. Und auf den Weinkonsum hätte das null Einfluss gehabt.
Sie sind doppelter Millionär, produzieren zwei Millionen Flaschen Wein pro Jahr …
… mittlerweile sind es schon über zwei Millionen. Trotz Corona haben wir einen sehr guten Weg zu unseren Kunden finden können, wir haben viele Privatkunden am Weingut, die auch in der Krise treu waren. Wir sind in der Krise sogar gewachsen.
Ihr Vater hat das Weingut gegründet, klein angefangen. War Ihnen von Anfang an klar, wo Sie mit dem Weingut hinwollen?
Nein, dieser Weg war mir zu Beginn überhaupt nicht klar. Es war niemals mein Ziel, so groß zu werden. Der größte Booster war der Rotweinboom nach 2000, als nur opulente, kräftige Rotweine gefragt waren. Dann kam die bekömmliche Welle, ich hätte mir nie vorstellen können, in dieser Menge Muskateller und Sauvignon aus dem Burgenland zu verkaufen. Meine Prämisse war stets Qualität, ich bin weiter der oberste Kellermeister.
Der opulente Auftritt Ihres Weinguts nahe der ungarischen Grenze fällt Besuchern sofort ins Auge. Wen haben Sie sich dabei zum Vorbild genommen?
Meine Auslandspraktiken bleiben nicht verborgen. Ich war sechs Monate in Kalifornien und in Australien. Gerade das Napa Valley in Kalifornien zeigt vor, wie man Weingüter inszenieren kann. Nur entstand dort teilweise bereits Massentourismus. Mach’ Entertainment, binde die Kunden an dich – und nicht nur an den Wein. So sind Führungen und Verkostungen bei uns immer unentgeltlich, denn wer kommt, soll belohnt werden. Unser zweiter Erfolgsfaktor: Ich arbeite gerne mit Leuten und im Team.
Sie tanzen auf vielen Hochzeiten: Sie sind "Falstaff"-Winzer 2021, eröffnen einen Pop-up-Heurigen und starteten gleich mehrere Baustellen. Besteht die Gefahr des Sich-Verzettelns?
... und meine Frau hat am 30. Dezember unser drittes Kind bekommen. Nein, diese Gefahr besteht nicht. Ich habe extrem tolle Teamleiter, mit denen ich alle Entscheidungen bespreche. Das "System Scheibelhofer" besteht nicht nur dem einen, der vorangeht. Viele Winzerkollegen arbeiten nur personalisiert. Bei uns ist es von Grund auf anders organisiert: Ohne breites Team wäre das nicht möglich.
Sie bauen ein zweites Gästehaus mit 26 Zimmern, ein Dorfwirtshaus und noch ein Wellnesshotel mit 118 Zimmern. Woher kommt das?
Bauen ist eine gewisse Leidenschaft, aber immer mit Demut. Wenn man eine Überzeugung verfolgt, die logisch und nachhaltig ist, baue ich gerne. Die Software ist genauso wichtig.
Ihr erstes Hotel "The Resort" eröffnet im Mai.
Das "Hangover", unser zweites Gästehaus, ist seit August letzten Jahres fertig. "The Quarter", unser Heuriger, wird im April eröffnet. Und am 6. Mai ist die große Eröffnung von "The Resort". Alles gerade gerecht für die Zeit nach Corona.
Warum ein so großes Hotel nahe der ungarischen Grenze?
Wenn man überzeugt ist, kann einen kaum etwas aufhalten. Ich treffe die Entscheidungen mit der Familie und dem Team. Dann gibt es kein Zurück mehr. Das Verrückteste, das ich vor sechs Jahren gebaut habe, war unsere Eventhalle in Andau, weitab von jeder weiteren Infrastruktur. Ich war in meinen jungen Jahren als Winzer an vielen Orten dieser Welt, da nimmt man überall etwas mit. Bauen wollen und bauen zu dürfen sind zwei Paar Schuhe. Ich habe mir gesagt: Wenn ich an diesem Standort zumindest fünf bis sechs Hektar zusammenbringe, baue ich ein Hotel. Es sind knapp zehn Hektar geworden, die Anlage ist so noch spektakulärer geworden. Ein Wein-Wellness-Resort mitten in den Weingärten: Wenn du googelst und nichts Vergleichbares findest, dann macht das einen sehr stolz.
Bei so vielen Baustellen: Welche Rolle spielt da noch der Wein in Ihrem Leben?
Das ist immer noch meine Passion. Wein ist das, was ich am besten kann.
Werden Sie das Hotel führen?
Die Führung werde ich nicht übernehmen. Die Frage, die ich mir stelle, lautet: Was bekommt der Kunde im Hotel geboten? Wie kommt er an, wie ist der "Welcome"? Ich bin sehr akribisch als User, wenn ich wo logiere. Ich habe daher das Drehbuch für "The Resort" eigentlich schon zu 100 Prozent geschrieben. Dass das dann nicht immer kompatibel mit einem Herrn oder einer Frau Direktor ist, habe ich leider auch lernen müssen. Ich hatte bereits bei zwei Direktoren gesehen, dass das nicht funktionieren wird – wenn etwa statt 40 Planstellen im Service nur noch 30 gebraucht werden. Jetzt haben wir eine Dame gefunden, mit der es perfekt funktioniert.
Sie haben sich schon vor der Eröffnung von zwei Direktoren verabschiedet?
Es ist immer besser zu sehen, dass es nicht passt, bevor es losgeht.
Man liest, dass Sie mit dem Hotel 100 Stellen schaffen werden.
120 im Hotel. Mit dem Ausbau des "Quarter" und einem öffentlich zugänglichen Kinderspielplatz mitten in den Weingärten rechne ich mit bis zu 140 neuen Stellen. Zu den 110, die wir schon haben.
Die Coronakrise hat Ihnen tatsächlich keine wirtschaftlichen Einbußen beschert?
Wir haben mehr Flaschen verkauft, der Umsatz ist aber gleich geblieben. Ein Drittel geht an Gastronomie und Fachhandel, ein Drittel an den Einzelhandel, 15 Prozent sind Ab-Hof, weitere 15 Prozent gehen in den Export. Die 8- bis 10-Euro-Weine sind sehr gut gegangen, die mittelpreisigen – "Big John" und darüber – eher schleppend, hochpreisige Produkte sind krisensicher, gute und rare Weine gehen immer. Der Durchschnittspreis hat sich nach unten entwickelt.
Der "Big John" ist einer der bekanntesten Weine des Landes. Sein Markenzeichen: Er schmeckt jedes Jahr gleich. Ist "Systemwinzerei" für Sie wirklich eine Auszeichnung?
Das ist ja mein Beruf. Würde ich das nicht tun, wäre das ja Natural Wine, dafür braucht man keinen Winzer, da können Sie sich selber auch ein Küberl kaufen und die Weintrauben reinschmeißen und warten, was passiert. Ich sehe es als meinen Job, eine Vision zu haben, wie das Produkt am Schluss schmecken soll, ich will aus den Trauben das Beste machen. Auch ein Küchenchef muss immer wissen, was er rausschickt.
Welche Bedeutung hat Österreich als Weinland international?
Ich war in jüngeren Jahren in Kalifornien. Dort ist jede Vorbildung vollkommen uninteressant: Die haben gesehen, da kommt ein junger verrückter Europäer, der Biss hat. Die haben mir einen Job als Winemaker angeboten, ohne zu fragen, ob ich überhaupt eine Ausbildung habe. Ich hätte da so viel Geld verdienen können, das war in Österreich gar nicht vorstellbar. Der Grund für mich zurückzukommen war, dass hier noch so viel Potenzial liegt. Mein Ziel ist, kollektiv mit Österreich dorthin zu kommen, wo es hingehört: in die internationale Wahrnehmung.
Wie viel fehlt dafür noch?
Wir stehen am Beginn einer ganz großen Entwicklung. Wir können international noch 60, 70 Prozent mehr erreichen.