Wifo-Chef Gabriel Felbermayr könnte sich längerfristig eine Senkung der Mehrwertsteuer von 20 auf 10 Prozent auf Strom vorstellen, nicht aber auf Gas. Von einer allgemeinen Mehrwertsteuersenkung auf Energie hält Felbermayr nichts. Das sei "keine Steuer, mit der man Jo-Jo spielt, mal rauf, mal runter, je nachdem wie gerade die Marktsituation ist", sagte er zu den "Salzburger Nachrichten". Den Energiekostenbonus für fast alle Haushalte kritisiert er als "Gießkannen-Verteilung".
Steigende Strom- und Gaspreise könne man "nicht wegsubventionieren", man könnte sich aber eine Senkung der Elektrizitätsabgabe auf das EU-Mindestniveau überlegen, meinte der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Beim Ausbau der erneuerbaren Energien sollte ordentlich Tempo gemacht werden - in ganz Europa -, denn wenn das Stromangebot steige, wirke sich das auch auf seinen Preis aus. Relativ günstiger Strom könne den Umstieg von Diesel auf E-Antrieb oder von Gas auf Wärmepumpen beschleunigen. Freilich lasse sich sauberer Strom physikalisch nicht von schmutzig erzeugtem unterscheiden, Stichwort Gasstrom.
SPÖ und ÖGB äußerten sich positiv zur Idee einer Mehrwertsteuersenkung auf Strom. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried sagte, der Wifo-Chef unterstütze damit einen Vorschlag seiner Partei. Der Gewerkschaftsbund erinnerte an seine diesbezügliche Forderung von November und forderte eine rasche MWSt-Aussetzung auf Energie, denn "was bei Gastro und Hotellerie geht, muss bei der Mehrwertsteuer auf Gas und Strom auch möglich sein", so ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann.
Die heuer ab Juli auf fossile Energien fällige CO2-Abgabe in Österreich wird - trotz Klimabonus - die Inflation zusätzlich treiben, ist Felbermayr überzeugt: "Ja, sie wird weitergegeben werden und die Preise nochmal in die Höhe treiben.". Mit einem Einstiegspreis von 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid werde aber "zunächst nicht viel passieren". Für den Lenkungseffekt der CO2-Abgabe gebe es Evidenzen: für den Haushaltsbereich aus Skandinavien und auf die Stromproduktion durch den EU-Emissionshandel.
Die EU-Taxonomie allein werde zu keiner starken Veränderung der Kapitalkosten von sauberen gegenüber schmutzigen Aktivitäten führen, glaubt der Wifo-Chef: "Es wird keinen großen Effekt auf die Investitionen geben." Sollte aber die EZB für ihre Geschäfte mit Banken als Sicherheiten nur noch "grüne" Wertpapiere akzeptieren, könnte sich das ändern. Felbermayr: "Das Problem mit der Taxonomie ist, dass die Liste nicht nach ökologischen oder ökonomischen, sondern nach politischen Kriterien entstanden ist. Ich weiß nicht, ob ein solcher planwirtschaftlicher Ansatz in einem Bereich mit derart rascher technologischer Entwicklung der richtige Weg ist."