Europas Währungshüter behalten trotz weiterhin hoher Teuerungsraten ihren ultralockeren geldpolitischen Kurs vorerst bei. Bei der ersten geldpolitischen Sitzung im neuen Jahr bestätigte der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) den Leitzins im Euroraum auf seinem Rekordtief von 0,0 Prozent. Die Anleihenkäufe im Rahmen des PEPP-Programms werden allerdings im März auslaufen.
Was jedoch bei der Pressekonferenz nach dem EZB-Zinsbeschluss auffällt: EZB-Präsidentin Christine Lagarde und der EZB-Rat nehmen das Thema Inflation nun deutlich ernster als noch bei der Sitzung im Dezember. Lagarde spricht von einer tiefgreifenden Diskussion über die Inflation und klarer Sorge über die Entwicklung.
Die Notenbank strebt für den Währungsraum der 19 Länder ein stabiles Preisniveau bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an. Sie akzeptiert es, wenn diese Marke zeitweise etwas über- oder unterschritten wird.
Zinserhöhung nicht mehr ausgeschlossen
Zwar betont Lagarde, dass sie weiterhin damit rechnet, dass die Inflation im Laufe des Jahres wieder sinken wird. Doch sie bestätigt auch, dass es ein Risiko gibt, dass die Inflation länger höher bleiben könnte, als man bisher erwartet hat. Noch im Dezember hatte die EZB-Chefin Zinserhöhungen im Jahr 2022 als "sehr unwahrscheinlich" bezeichnet. Eine Aussage, die sie auch auf Nachfrage im Februar nicht mehr wiederholen wollte.
Vielmehr wies die EZB-Chefin darauf hin, dass jetzt detaillierte Daten gesammelt werden über die Ursachen der Inflation und die mittel- und langfristigen Auswirkungen. Diese sollen dann in die Frühjahrsprognose im März einfließen. Erst dann wolle sie sich wieder zu möglichen Zinserhöhungen äußern. Wobei Lagarde klarmacht: Bevor die Zinsen wieder steigen, muss auch das reguläre Anleihekaufprogramm APP auslaufen.
Angesprochen auf die Zinssteigerungen in anderen Ländern verteidigte die EZB-Präsidentin ihren Kurs. Denn im Gegensatz zu England oder den USA würde sich die Inflation derzeit noch nicht auf die Löhne auswirken. Eine Spirale, bei der höhere Preise zu höheren Löhnen führen, wird gemeinhin als gefährlich angesehen.
Die Frage ist freilich, wie lange kann die Teuerung hoch bleiben, ohne dass sich die Löhne bewegen. In Österreich zog die jährliche Teuerungsrate zu Jahresbeginn laut der Schnellschätzung der Statistik Austria vom gestrigen Mittwoch auch auf 5,1 Prozent an. Im Dezember lag die Inflation noch bei 4,3 Prozent. Vor allem steigende Energiepreise heizen den Preisauftrieb an.
Die vergleichsweise hohe Teuerung macht Verbrauchern Sorge. Denn eine höhere Inflation schwächt ihre Kaufkraft, weil sie sich für einen Euro weniger kaufen können als zuvor. Kritiker werfen der EZB vor, mit ihrer seit Jahren ultralockeren Geldpolitik inklusive milliardenschwerer Anleihenkäufe die Teuerung noch anzuheizen.
Roman Vilgut