„Echt?“ Es ist die Standardreaktion, wenn Madeleine Ebner die Frage nach ihrem Beruf beantwortet: Lokführerin. Die 22-jährige Osttirolerin hat nach ihrer Lehre als Elektrotechnikerin, Anlagen- und Betriebstechnikerin noch die knapp eineinhalbjährige Zusatzausbildung zur – im offiziellen ÖBB-Jargon – „Triebfahrzeugführerin“ angehängt.

Es ist ein Berufsumfeld, in dem aktuell eine außerordentlich hohe Nachfrage nach Nachwuchskräften besteht, denn die ÖBB stehen vor einer Pensionierungswelle: Von derzeit 46.000 Mitarbeitern gehen in den nächsten fünf bis sechs Jahren 16.000 in Pension. Für Nachbesetzungen werden allein in der Steiermark bis 2026 insgesamt 1500 neue Jobs ausgeschrieben, in Kärnten sind es 900 Jobs, die nachbesetzt werden – darunter in beiden Bundesländern zusammen rund 50 Triebwagenführer.

Es ist ein traditionell männlich dominierter Beruf. 4500 Lokführern stehen nur 140 weibliche Kolleginnen gegenüber. Auch Madeleine Ebner war in ihrem Ausbildungsjahrgang in Villach die einzige Frau. Zugangsbarrieren existieren dabei aber nur im Kopf. Im Führerstand einer Lokomotive sind keine schweren Lasten zu heben, und auch sonst, sagt Ebner, „ist als Frau alles schaffbar“. – Auch die Aufnahmekriterien, selbst wenn diese sehr detailliert sind.

Mindestens 1,55 Meter als Vorgabe

Körperliche Fitness, eine Größe von mindestens 1,55 Meter und ein Body Mass Index von unter 40 findet man in der offiziellen Stellenausschreibung der ÖBB unter dem Punkt „Voraussetzungen“. Dazu darf man weder farb- noch nachtblind sein, Brillen- oder Kontaktlinsenträger maximal +5 oder -8 Dioptrien haben und muss beim Beginn der 52-wöchigen Ausbildung mindestens neunzehneinhalb Jahre alt sein.

Abseits dieser körperlichen Kriterien müssen männliche Bewerber – sofern nicht untauglich – ihren Militär- oder Zivildienst bereits absolviert haben. Dann steht der Verwirklichung des Bubentraums von vielen – Lokomotivführer – nichts im Weg. Abgesehen von einem psychologischen Eignungstest, bei dem Konzentration, Reaktionsfähigkeit, Arbeiten unter Zeitdruck, logisch-schlussfolgendes Denken, Gedächtnis und sinnerfassendes Lesen abgeprüft werden. Die ÖBB bieten bei Informationsveranstaltungen auch immer wieder die Möglichkeit an, in einem Triebwagen mitzufahren, um sich ein realistisches Bild der Arbeit machen zu können.

Das große Kribbeln

Madeleine Ebner kann sich noch gut an ihre erste Solofahrt ohne begleitenden Lokführer nach Abschluss der Ausbildung Ende August erinnern. „Da war ich schon ein bisserl nervös.“ Routine ist es bis heute nicht. „Ein gewisses Kribbeln gibt es immer noch, weil es ja auch hohe Konzentration und Präzision braucht“, sagt die Osttirolerin. Ihr Einsatzgebiet spannt sich zwischen Innichen gleich hinter der Grenze zu Südtirol, Villach und Schwarzach/St. Veit im Salzburger Pongau auf. Mit bis zu 140 km/h ist sie je nach Strecke unterwegs, manchmal mit Güterzügen, manchmal im Personenverkehr, manchmal – wie kommenden Montag – im Verschubverkehr am Bahnhof in Lienz.

Das Tempo muss dabei nicht nur den Streckenverhältnissen, sondern auch dem Zugtyp angepasst werden. „Güterzüge sind meist länger und schwerer, da gibt es ein ganz anderes Bremsverhalten“, erklärt Ebner. Im Winter kommen noch spezielle Herausforderungen dazu. Ist die Strecke beispielsweise vereist, wird per Knopfdruck aus dem Führerstand Quarzsand auf die Schienen gestreut, um die Traktion zu erhöhen. Es bleibt „ein besonderes Gefühl, mit einem Fahrzeug mit 10.000 PS unterwegs zu sein“, sagt Ebner. Ihr Privat-Pkw hat 177.