Die Gefahr, dass der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine eskaliert, steigt. Das Problem: Russland liefert Gas nach Europa, der Transit erfolgt über die Ukraine. Was bedeutet das für Gasversorgung und Preise? Wie abhängig sind wir tatsächlich? „Unsere Energieversorgung ist von russischem Gas abhängig, das muss man akzeptieren. Seit den Wirtschaftssanktionen 2014 hat es keine Verbesserung in den Beziehungen gegeben. Europa hat sich in der Zeit aber auch nicht strategisch anders aufgestellt. Das rächt sich jetzt“, analysiert Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. Wie hart Sanktionen ausfallen, sei eine politische Entscheidung. „Aber, wenn man sagt, man will eine Antwort in Form von Sanktionen, die Russland wirklich spürt, dann müssten wir auf Gas-, Erdöl- und Metalllieferungen aus Russland verzichten. Aber auch mit den harten Konsequenzen, nämlich Knappheit und steigenden Preisen für Bürger und Industrie leben“, so Felbermayr.
Österreichs Haushalte und Industrie benötigen im Jahr rund 8,6 Milliarden Kubikmeter Erdgas, oder besser gesagt Methan. Allerdings kann nur rund eine Milliarde des Bedarfs in Österreich direkt gefördert werden, der Rest wird importiert. Könnte es also schnell kalt in Österreichs Wohnungen werden, wenn der Gashahn zugedreht wird? „Nein, die Versorgung ist in den nächsten Monaten gewährleistet“, sagt Alfons Haber, Vorstand der E-Control. Die Speicherkapazitäten hätten in den vergangenen Jahren zugenommen. Ein Viertel des Jahresverbrauches von 20 Terawattstunden sei quasi auf Lager. Er räumt aber ein, dass, sollte es zu Einschränkungen kommen, Großkunden aufgerufen werden könnten, weniger zu verbrauchen.
Welche Auswirkungen das dann doch für Industriebetriebe haben könnte, sei schwer zu sagen, so Adolf Melcher, Geschäftsführer der Kelag Energie und Wärme. Der Kärntner Energieversorger zählt zu den größten Fernwärmebetreibern in Österreich, ist mit Systemen in allen Bundesländern vertreten. Grundsätzlich liege der Anteil fossiler Energie bei rund zwölf Prozent. Der Rest werde mit Biomasse und industrieller Abwärme abgedeckt. Es sei ein Thema der Außentemperatur. Je wärmer, desto eher komme man ohne Gas aus. „Die Gaskraftwerke sind die teuersten und werden bei Bedarf als letztes zugeschaltet. Aber sie bestimmen den Preis“, sagt Felbermayr.
Rund 20 bis 25 Prozent des gesamten Energieverbrauchs des Landes wird mit Methan abgedeckt. Vor allem im Winter wärmt es nicht nur Häuser und Wohnungen, sondern dient eben zur Abdeckung der Verbrauchsspitzen im Stromnetz, wenn erneuerbarer Strom nicht in ausreichendem Maß verfügbar ist.
Dass Gase als Energiespeicher nicht so leicht ersetzbar sind, sagt Michael Mock vom Fachverband der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen (FGW). Allerdings müsse es nicht immer Erdgas aus Russland sein. Eine Alternative sei die Verwertung von Bio-Abfall. Und im Industriebereich werde Wasserstoff in Zukunft eine größere Rolle spielen. Erste Tests hätten ergeben, dass die Erdgas-Infrastruktur in Österreich mit relativ wenig Aufwand auf Wasserstoff umgerüstet werden könnte.
Was würde eine Eskalation der Ukraine-Krise für Österreichs Wirtschaft bedeuten? „Russland steht für 2,1 Milliarden Euro Exportvolumen, die Ukraine für 500 Millionen Euro. Russland ist nicht unter den Top 10 Exportmärkten. Von Totalausfall kann keine Rede sein“, sagt dazu Industrie-Chefökonom Christian Helmenstein. Viel härter träfen Europa und Österreich zugedrehte Öl- und Gashähne. Für die Raiffeisenbank International wäre das Ausschließen Russlands aus dem internationalen Finanzkommunikations-System Swift ein schwerer Schlag.
Die endgültige Genehmigung der Pipeline Nordstream 2 sei natürlich der „better case“, so Helmenstein. „Aber es ist erst dann wieder alles gut, wenn die Lieferungen über die Ukraine gut funktionieren.“ Aus Sicht der Industrie halte man es „grundsätzlich für falsch, vorschnell über wirtschaftliche Sanktionen zu sprechen. „Je schneller und härter wir in wirtschaftliche Sanktionen einsteigen, desto stärker erodiert die Vertrauensbasis.“