Als in der Schweiz vor gut einem Jahr eine ganze Flotte von Wasserstoff-Lkw des koreanischen Herstellers Hyundai in Betrieb ging und private Betreiber dafür auch das notwendige Tankstellennetz zur Verfügung stellten, war das Erstaunen hierzulande groß. Von einer einfachen Nachahmung war man indes weit entfernt: Die wenigen OMV-Wasserstoff-Tankstellen sind beispielsweise untauglich für Lkw - "ein Fall fürs Museum", urteilte einst selbst Ex-OMV-Chef Rainer Seele wegen ihrer Nicht-Nutzung.
Jetzt soll das Thema Wasserstoffmobilität im schweren Lkw-Verkehr auch in Österreich Fahrt aufnehmen, angeschoben von elf Unternehmen des privaten Konsortiums, insbesondere der Post, die dafür schon 2021 eine Partnerschaft mit der OMV aus der Taufe gehoben hatte. Inzwischen sind weitere Konzerne wie Rosenbauer, AVL oder Rewe dabei. Das Beratungsunternehmen Deloitte wurde jetzt mit Berechnungen und dem Erstellen eines Zeitplans beauftragt, wie in den nächsten acht Jahren 2000, mit Wasserstoff angetriebene Brennstoffzellen-Lkw auf die Straße gebracht werden können.
Pionierarbeit soll bis zu 4000 Jobs bringen
Weil die wenigen verfügbaren Lkw derzeit mit Kosten von rund 500.000 Euro etwa fünfmal so teuer sind wie Diesel-Laster, erwartet die Initiative Förderungen. Zwischen 420 und 460 Millionen Euro wären für den Anschub notwendig, plädiert Deloitte-Österreich-Chef Alexander Kainer für 80 Prozent Ersatz der Anschaffungskosten. Für den Aufbau einer größeren Wasserstoff-Wertschöpfungskette in Österreich brauche es einen Startpunkt und Investitionssicherheit, sagt er. Auf der anderen Seite bringe die Pionierarbeit in den kommenden acht Jahren 475 Millionen Euro Wertschöpfung und bis zu 4000 Jobs.
Dem Konsortium geht es um Tempo, nicht zuletzt, weil in spätestens vier oder fünf Jahren auch Konzerne wie Daimler, Volvo & Co in großem Stil mit Brennstoffzellen-Lkw in den Markt gehen und dann eine funktionierende Infrastruktur benötigt wird - mit zwölf bis 20 Elektrolysen, wie Deloitte errechnete.
"Die Deutschen sind uns mit ihren Beschlüssen und Förderungen fast zwei Jahre voraus," so AVL-Geschäftsführer Rolf Dreisbach. Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung verweist er auf zwei Aspekte, warum Österreich diese Lücke nicht noch größer lassen werden sollte. "Da wird sich klar ein neuer Zuliefermarkt für Brennstoffzellen entwickeln, weil das nicht alle Lkw-Hersteller zwingend selbst machen müssen." Prominentestes Beispiel dafür in Deutschland sei Bosch. Zudem seien die CO2-Ziele der EU bis 2030 nur erreichbar, wenn alle Bereiche massive Beiträge leisten würden. Der Verkehr sei in Europa für immerhin 27 Prozent aller CO2-Emmissionen verantwortlich, der Schwerverkehr emittiere besonders viel.
"Ein Gesamtpaket"
"Die Post will Vorreiter sein," sagt Logistik-Vorstand Peter Umundum. Schon 2023 sollen die ersten gelben Wasserstoff-Lkw unterwegs sein. Das sind vorerst Hyundai Xcient. Wenn in der Online-Pressekonferenz die Randbemerkung fiel, dass es bereits ein Unternehmen gebe, dass in Österreich Brennstoffzellen produzieren wolle, richtet sich der Blick auf Graz oder Steyr. Dreisbach hält sich dazu bedeckt.
Wer in der Rechnung fehlt, ist das Klimaschutzministerium. Grundsätzlich bestätigte Dreisbach regelmäßigen Kontakt des Konsortiums mit Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne). Gewessler setzt beim Gütertransport stark auf die Bahn, nicht zuletzt, weil es ab 2030 auch großen Wasserstoff-Bedarf in der Industrie geben wird. Umundum betont, dass man bei der Post auch die Bahn nutzen werde, aber es gehe um Lückenschlüsse, "ein Gesamtpaket".
Erste Tankstellen sind in Planung
Vier Tankstellen sind an den großen Lkw-Routen jedenfalls schon in Planung. Erst im Dezember hatte die Wien Energie eine Wasserstoff-Tankstelle eröffnet, die der Öffentlichkeit zur Verfügung steht.
Warum so auf die Tube drücken, wenn ausgerechnet jetzt die Strompreise durch die Decke knallen und der mit Ökostrom produzierte Wasserstoff noch einmal viel teurer ist als ohnedies? Kainer zufolge sollten die Strompreisschwankungen über ein Carbon Contract of Difference ausgeglichen werden, das sind Verträge, die es in anderen Ländern schon gibt, um Investitionen in Erneuerbare Energien zu erleichtern und Gewinne fairer zu verteilen. Deloitte schlägt einen Basispreis von 72 Euro je Megawattstunde vor. Davon sind die echten Strompreise derzeit meilenweit entfernt. In der Förderungssumme werde sich dieser Aspekt dennoch nur mit einem niedrigen zweistelligen Millionenbetrag niederschlagen, betont Kainer.
Die Schweizer Erfahrungen sind Speditionschef Wolfram Senger-Weiss zufolge jedenfalls bestens. Der Konzern betreibt dort einen Wasserstoff-Lkw, der binnen eines Jahres 60.000 Kilometer fuhr und ohne Ausfälle funktionierte. Eine Tankfüllung reicht für 400 Kilometer, der Verbrauch liegt bei 32 Kilogramm Wasserstoff. Bei einem Kilopreis von zehn Euro ist das aber dreimal so teuer wie Diesel.
Claudia Haase