Durch die Coronahilfen ist es in den Jahren 2020 und 2021 im Bereich der eröffneten Firmeninsolvenzen zu einem Rückstau von rund 2.200 Verfahren gekommen, heißt es vom Alpenländischen Kreditorenverband (AKV). Erst im zweiten Halbjahr 2021 kam es zum Aufholeffekt, der sich im letzten Quartal beschleunigte. Der AKV rechnet damit, dass sich der Rückstau bei den Unternehmensinsolvenzen nun sukzessiv abbauen wird. Eine Pleitewelle ist nicht in Sicht.
"Es ist nicht mit einer 'Insolvenzwelle' zu rechnen, jedoch mit einem Anstieg, der über dem Wert vor der Pandemie und somit des Jahres 2019 liegen wird", sagte AKV-Expertin Cornelia Wesenauer zur APA. Grundsätzlich habe in der Pandemie die Bereitschaft von Firmen abgenommen, eine Zahlungsunfähigkeit einzugestehen. Die Verletzung von Insolvenzantragsverpflichtungen von Schuldnern habe stark zugenommen.
Gläubigeranträge lösen Insolvenzen aus
So wurden laut der neuesten AKV-Insolvenzstatistik zuletzt mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der 2.049 Insolvenzverfahren (+13,9 Prozent gegenüber 2020) von Firmen über Gläubigeranträge eröffnet. Auch die 1.045 Abweisungsbeschlüsse (-23,4 Prozent gegenüber 2020), wonach Verfahren wegen des Fehlens eines kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet wurden, resultierten annähernd zur Gänze aus Gläubigeranträgen. Unter Einbeziehung der Verfahrensabweisungen bedeuten die 3.094 Firmeninsolvenzen eine Abnahme um 2,2 Prozent gegenüber den 3.164 Firmeninsolvenzen des Jahres 2020.
Nach dem Auslaufen der Stundungen von Steuern und Abgaben aufgrund der Coronakrise kam es im zweiten Halbjahr 2021 zu einem enormen Anstieg der Firmeninsolvenzen. Im 2. Halbjahr 2021 wurden mit 1.349 Verfahren annähernd doppelt so viele Verfahren wie im ersten Halbjahr 2021 mit 700 eröffnet. Im vierten Quartal 2021 lagen die Zahlen sogar höher als vor der Pandemie.
Bei der Stellung von Insolvenzanträgen agiert die öffentliche Hand laut dem Gläubigerschutzverband nach Regionen unterschiedlich. So beträgt der Zuwachs an eröffneten Firmeninsolvenzen in Wien 34,2 Prozent und in Niederösterreich 29,4 Prozent, während in Kärnten (-29,5 Prozent) und Vorarlberg (-42,86 Prozent) die Eröffnungen abgenommen haben.
Privatinsolvenz: Jahre nach Zahlungsunfähigkeit
Bei den Privatinsolvenzen hat sich eine Erwartung des Gesetzgebers mit dem neuen Gesamtvollstreckungsverfahren, das es seit 1. Juli 2021 gibt, laut AKV zumindest vorerst nicht erfüllt. Von insgesamt 7.187 eröffneten Schuldenregulierungsverfahren entfielen nur 27 auf dieses neue Verfahren über Gläubigeranträge. Bei der Einführung war mit etwa 1.000 zusätzlichen Verfahren dieser Art jährlich gerechnet worden. "Im Unterschied zu den Firmeninsolvenzen wird daher der Großteil der Privatinsolvenzen weiterhin über Eigenantrag der Schuldner eröffnet, jedoch in der Regel erst Jahre nach dem tatsächlichen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit", erläuterte Wesenauer.
Die neue Rechtslage bei Privatinsolvenzen seit 1. Juli sieht auch ein auf drei Jahre verkürztes Abschöpfungsverfahren mittels Tilgungsplan vor. Es bleibt jedoch bei einem fünfjährigen Abschöpfungsverfahren, wenn der Schuldner im Falle einer Veröffentlichung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit nicht binnen 30 Tagen selbst eine Initiative für einen Insolvenzantrag ergriffen hat. Trotz der per Jahresmitte neuen Rechtslage kam es zu keinem beträchtlichen Auseinanderklaffen der Privatinsolvenz-Eröffnungen im ersten Halbjahr (3.245) und im zweiten Halbjahr (3.942). Lediglich im Juli 2021 gab es nur 378 Eröffnungen, weil viele Schuldner die neue Gesetzeslage abgewartet haben.