Die Wettbewerbsklage, mit der die US-Regierung Facebook zerschlagen will, ist im zweiten Anlauf von einem Gericht in Washington angenommen worden. Damit könnte Facebook vor Gericht gezwungen werden, die Milliarden-Zukäufe WhatsApp und Instagram wieder abzustoßen. Bis zur Entscheidung dürften aber Jahre vergehen.
Die erste Version hatte Richter James Boasberg im vergangenen Sommer mit Verweis auf eine unzureichende Argumentation abgewiesen. Bei der nachgebesserten Klage sah er den Vorwurf des unfairen Wettbewerbs nun viel besser begründet, wie aus Gerichtsdokumenten hervorgeht. Der Richter wies auch Facebooks Forderung ab, die Klage abzuweisen, weil FTC-Chefin Lina Khan befangen sei.
In der Klage wirft die US-Handelsbehörde FTC Facebook unter anderem vor, das Online-Netzwerk habe den Chatdienst WhatsApp und die Foto-Plattform gekauft, um die eigene Monopolstellung in dem Markt zu schützen. Deshalb müssten die Übernahmen wieder rückgängig gemacht werden. Das zu beweisen, könne eine ziemlich große Aufgabe für die FTC werden, schränkte Richter Boasberg am Dienstag ein.
In der nachgebesserten Klage mangelt es nun nicht mehr an Zahlen. So hält die FTC fest, dass Facebook von 2016 bis 2020 bei täglich aktiven Nutzern einen Marktanteil im Schnitt von 80 Prozent auf Smartphones und 98 Prozent auf dem PC gehabt habe. Zu keinem Zeitpunkt und auf keinem Gerätetyp sei der Anteil unter 70 Prozent gesunken. Überzeugend genug für Richter Boasberg: "Die FTC hat diesmal ihre Hausaufgaben gemacht", lobte er.
Er wies allerdings auch diesmal Vorwürfe ab, dass Facebook das Zusammenspiel seiner Dienste mit denen anderer Entwickler verhindert habe. Der Grund: Dies sei für den betroffenen Zeitraum nicht relevant gewesen. Der Facebook-Konzern Meta begrüßte in seiner Reaktion ausdrücklich, dass die Klage damit eingeengt worden sei. "Wir sind überzeugt, dass die Fakten die grundlegende Schwäche der Vorwürfe aufdecken werden", sagte ein Sprecher. Facebooks Investitionen in WhatsApp und Instagram seien gut für Wettbewerb und Nutzer gewesen.
Eine Milliarde für Instagram, 22 für WhatsApp
Facebook hatte Instagram 2012 für etwa eine Milliarde Dollar (aktuell knapp 900 Mio. Euro) und WhatsApp 2014 für am Ende rund 22 Milliarden Dollar gekauft. Instagram hat inzwischen rund eine Milliarde Nutzer, WhatsApp etwa zwei Milliarden. Die US-Wettbewerbshüter hatten die Übernahmen damals freigegeben.
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Unabhängig vom Ausgang könnte das Verfahren eine feste Definition des Markts für soziale Netzwerke im US-Justizsystem verankern – und damit einen klareren Rahmen für Kartellverfahren schaffen. Facebook konterte bei derartigen Vorwürfen bisher oft, dass die Konkurrenz im Netz vielfältig und nur einen Klick entfernt sei.
Die FTC (Federal Trade Commission) beschreibt nun als persönliche soziale Netzwerke Plattformen, auf denen Nutzer Kontakte mit Freunden und Familie pflegen und in einem gemeinsamen Raum Beiträge und Erlebnisse teilen. Basierend auf dieser Definition sieht die FTC zum Beispiel Twitter, Youtube und die aufstrebende Videoplattform TikTok in anderen Kategorien – weil sie mehr auf die Nutzung von Inhalten denn auf persönliche Verbindungen ausgerichtet seien. Als direkter Wettbewerber von Facebook wird in der Klage unter anderem Snapchat genannt. Dazu kommen diverse inzwischen eingestellte Dienste wie Google+, MySpace und Friendster.
Die ursprüngliche Klage war im Dezember 2020 noch am Ende der Amtszeit des damaligen Präsidenten Donald Trump eingereicht worden. Nachgebessert wurde sie unter Führung der von seinem Nachfolger Joe Biden berufenen FTC-Chefin Lina Khan. Ihre Stimme war entscheidend für das Einbringen der zweiten Klage-Version: In der fünfköpfigen Kommission stimmten die beiden restlichen Mitglieder aus dem Lager der Demokraten dafür und die zwei Republikaner dagegen.
Diesen Umstand wollte Facebook auch ausnutzen und warf Khan Befangenheit vor. Sie habe sich mit ihren früheren Äußerungen als Gegnerin von Facebook offenbart und hätte nach Ansicht von Facebook deshalb nicht an der Abstimmung teilnehmen dürfen. Richter Boasberg ließ das nicht gelten.
Microsoft stand vor der Zerschlagung
Neben der FTC hatte auch ein Bündnis von mehr als 40 Bundesstaaten eine Klage gegen die Deals eingereicht. Diese wurde von Richter Boasberg im Juni jedoch komplett abgewiesen.
Im bisher größten Wettbewerbsverfahren in der Tech-Industrie in den 90er Jahren ging es um Microsoft. Der Konzern hatte den Webbrowser Internet Explorer mit seinem Windows-Betriebssystem gebündelt. Das US-Justizministerium argumentierte damals, angesichts der dominierenden Marktposition von Windows seien Browser-Rivalen wie Netscape durch diese Praxis aus dem noch neuen Markt gedrängt worden. Ein Richter ordnete zwischenzeitlich die Zerschlagung von Microsoft an, was jedoch von einem Berufungsgericht gekippt wurde. Am Ende einigten sich das Justizministerium und Microsoft auf mildere Auflagen.