Der Arbeitsmarkt war im Vorjahr von zwei Themen geprägt. Auf der einen Seite waren die Arbeitnehmer, die wegen Corona mit Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit leben mussten. Auf der anderen Seite waren die Unternehmen, die Tausende Stellen nicht besetzen konnten. Aus dem Fachkräftemangel, der in einigen Branchen schon seit Jahren existiert, wurde ein regelrechter Arbeitskräftemangel in Bereichen, von denen man das eigentlich nicht erwartet hätte.
Und das hat nun auch konkrete Auswirkungen auf die Zuwanderung in Österreich, die nun deutlich vereinfacht werden dürfte. Bekanntlich dürfen ja Bürger der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) jederzeit einen Job in Österreich annehmen. Wenn jemand allerdings nicht aus einem dieser Länder kommt, braucht die Person Flüchtlingsstatus oder eine Arbeitserlaubnis, um in Österreich arbeiten zu können.
National und Regional
Das ist ein durchaus kompliziertes Unterfangen, außer man hat das Glück, einen Mangelberuf zu haben. Dann können Unternehmen die Arbeitnehmer direkt aus den Drittstaaten anwerben. Jedes Jahr gibt das Bundesministerium für Arbeit mit der Fachkräfteverordnung eine Liste mit Berufen heraus, die in diese Kategorie fallen. Um den regionalen Unterschieden gerecht werden zu können, gibt es seit 2019 zusätzlich regionale Mangelberufslisten für die Bundesländer.
Die volle Liste der Mangelberufe
Doch während bis vor wenigen Jahren nur einige wenige Berufe auf dieser Liste gestanden sind, ist die Zahl der Jobs mit zu wenigen Bewerbern regelrecht explodiert. 2016 gab es insgesamt acht Mangelberufe. Für das heurige Jahr stehen 66 Berufe auf der nationalen Liste und 52 weitere auf den Listen der jeweiligen Bundesländer. Da in der Liste allerdings Ober- und Unterkategorien vermischt sind, ist die aktuelle Zahl der Mangeljobs um ein Vielfaches länger.
Floristinnen bis Philosophen
Und längst handelt es sich hier nicht mehr nur um Techniker, Köche oder Pflegeberufe. So sind Karosseriespengler ebenso in der österreichweiten Mangelliste wie Verkäufer von Haushalts und Küchengeräten oder alle medizinisch-technischen Berufe, von Heilgymnastikerinnern über Psychotherapeuten bis zu Röntgenassistenten.
Doch vor allem auf der Bundesländerliste finden sich auch Berufe, die bis vor kurzem wohl kaum als Mangelberuf gesehen wurden. So finden Unternehmen in der Steiermark offenbar kaum noch Verkäuferinnen von Elektrowaren oder Parfüm. Auch Naturblumenbinderinnen, Kellnerinnen oder Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler stehen auf der Liste. In Kärnten gibt es neben zu wenig Stukkateuren auch zu wenig Buchhalterinnen oder Warenhausverkäuferinnen. In Oberösterreich mangelt es nicht nur an Friseurinnen, sondern auch an Philosophen.
Zu wenig Bewerber
Doch wie kommt es zu der Liste. Die Antwort ist erstaunlich einfach. Gibt es auf eine offene Stelle beim AMS nicht mehr als 1,5 potenzielle Bewerber, ist der Job ein Mangelberuf. Ein Umstand, den der Think Tank Momentum Institut scharf kritisiert. "Es gibt in der EU über 500 Millionen Menschen, die jederzeit in diesen Jobs arbeiten könnten", sagt der Volkswirt Mattias Muckenhuber.
"Aber die kommen offenbar nicht mehr nach Österreich. Also will man Leute aus Ländern mit noch niedrigeren Löhnen holen." Damit löse man aber keineswegs das Grundproblem, sagt Muckenhuber. Er verortet das in den Themen Gehalt und Rahmenbedingungen. Vor allem gehe es hier um einige Hundert Stellen. "Statt Leute aus Billiglohnländern zu holen, sollte man das Thema Arbeitskräftemangel einfach den freien Markt regeln lassen."
Wettbewerb mit anderen Ländern
So ein Vorgehen greift für den Kärntner AMS-Chef Peter Wedenig zu kurz. "Rechtlich wäre es natürlich für EU-Bürger leicht, nach Österreich zu kommen. Praktisch herrscht aber wenig Bereitschaft, für einen Job umzuziehen." Er gesteht aber ein, dass sich Österreich inzwischen bei einigen Jobs in einem Wettbewerb mit anderen Ländern befindet. Und in der Frage der Willkommenskultur gäbe es hierzulande sicher noch Nachholbedarf.
Auch das Arbeitsministerium hat das Thema auf seiner Agenda. "Es unterschätzen viele, wie stark die Demografie in den nächsten fünf bis zehn Jahren den Arbeitsmarkt in Österreich verändern wird", sagt Arbeitsminister Martin Kocher. Bei einer "normalen Wirtschaftsentwicklung" werde der Arbeitskräftemangel "nicht mehr nur ein Fachkräfteproblem, sondern eine generelle Schwierigkeit", so der Arbeitsminister. Um den Arbeitskräftemangel zu entschärfen, gebe es "viel Potenzial im Inland".
Hier setzt auch das steirische AMS einen Schwerpunkt, betont Geschäftsführer Karl-Heinz Snobe: "In der Steiermark gibt es Lehrstellenförderungen, Fachkräftestipendien und arbeitsplatznahe Ausbildungen." Dazu kämen zahlreiche Stiftungen, die Arbeitsuchende in wichtigen Zukunftsfeldern wie Digitalisierung, Umwelt und Pflege ausbilden.
Roman Vilgut