Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit leitete die EU-Kommission kurz vor Weihnachten eine wichtige Weichenstellung für die Steiermark und Kärnten in die Wege. „Wenn das realisiert wird, ist das für die Steiermark ein Quantensprung. Weg von der verkehrstechnischen Randlage ins Zentrum Europas“, erklärt Helmut Adelsberger, Steirer und unermüdlicher Bahn-Lobbyist in Brüssel. Mitte Dezember legte die Kommission ihre erweiterte Version der transeuropäischen Transportnetze (TEN-T) vor.
Darin befindet sich erstmals ein „Westbalkantransportkorridor“. Er knüpft an das Netz in Süddeutschland an und führt in Österreich auf den Schienenwegen über die Tauern- und die Pyhrnachse. Der Korridor verbindet in der Folge Salzburg, Oberösterreich, Kärnten, Steiermark, Slowenien, Kroatien, Serbien, Bulgarien, Griechenland und Zypern. Graz und Villach würden damit zu Knotenpunkten gleich zweier europäischer Achsen – der Baltisch-Adriatischen (mit Semmeringtunnel und Koralmbahn) sowie des Westbalkankorridors.
EU zahlt beim Ausbau mit
Wie es nun weitergeht? „Die Kommission hat mit ihrer Vorlage den ersten Schritt gemacht, nun sind Rat und Parlament am Zug. Innerhalb eines Jahres sollte es zur neuen TEN-Verordnung kommen. Ich rechne zu 99,9 Prozent damit, dass dies so umgesetzt wird, wie die Kommission es vorschlägt“, erklärt Adelsberger. Das TEN-Netz besteht überwiegend aus Bahninfrastruktur, aber auch aus Straßen, Wasserwegen, Häfen und Flughäfen. Findet eine Strecke offiziell Aufnahme in die Verordnung, kofinanziert die EU den Ausbau. So geschieht es am Semmering und bei der Koralm.
Für die Steiermark heißt dies, dass für den Ausbau der Pyhrn-Schober-Achse auch EU-Gelder fließen dürften. Die Modernisierung der Strecke mit einem neuen Bahntunnel durch den Bosruck ist eine steirische Forderung mit mehr als 30-jähriger Geschichte. Derzeit ist der Tunnel zu steil, um mehr Güterverkehr aufzunehmen, es wird eine flachere Trasse benötigt. 2020 legten sich Industriellenvereinigung und ÖBB auf eine Realisierung bis 2040 fest.
Jahrelanges Lobbyieren
Die steirische Landesregierung setzte sich mit den Sozialpartnern immer wieder für eine Aufnahme der Pyhrnstrecke in das TEN-Netz ein, zusammen mit Kärnten, Oberösterreich und Salzburg machte man sich in Brüssel auch für die Tauernstrecke stark. Wesentlich die Fäden zog dabei auch Adelsberger, der von 2009 bis 2013 als nationaler Experte Österreichs in Brüssel an der TEN-Verordnung mitarbeitete und seither als freier Konsulent in der Erweiterung dieses Netzes gefragt ist. Dass die am Westbalkankorridor beteiligten Länder einen gemeinsamen „Letter of Intent“ verfassten, der Anfang Dezember von Slowenien an die EU-Kommission übergeben wurde, ging auf Adelsbergers Initiative und Mithilfe von Erhard Busek zurück. Der frühere Vizekanzler (ÖVP) ist Koordinator der südosteuropäischen Initiative für Zusammenarbeit (Seci).
Langfristig ziehe die Steiermark aus den Plänen große Standortvorteile, sagt Adelsberger, mahnt jedoch Land und Bund, die Hausaufgaben nicht zu vernachlässigen. Die Bahnstrecke Graz-Bruck sei an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt und müsse ausgebaut werden, spätestens mit der Fertigstellung von Süd- und Koralmbahn würde sie zur Engstelle.