Der 1. Jänner war für mich schon immer ein besonderer Tag. Natürlich ist er das für uns alle, weil an diesem Tag ein neues Jahr beginnt. Es ist aber auch mein Geburtstag. Und am 1. Jänner 2002 gab es einen weiteren Grund zu feiern: Damals wurden im Euroraum, der seinerzeit noch aus zwölf Staaten bestand, die Banknoten und Münzen der einheitlichen Währung eingeführt.
Ich verbrachte diesen Tag mit meiner Familie und Freunden in unserem Haus in der Normandie. Kurz vor Mitternacht machten wir uns auf den Weg zum nächstgelegenen Bankomaten, denn wir konnten es kaum erwarten, unsere ersten Eurobanknoten in den Händen zu halten. Einige meiner Freunde gingen davon aus, dass die Bankomaten noch nicht auf die neue Währung umgestellt seien und dass wir folglich keine Eurobanknoten bekommen würden. Wir schlossen also eine Wette ab: Sollte der Bankomat statt der Eurobanknoten französische Francs ausgeben, dürften sie das Geld behalten. Nach Mitternacht stellten wir den Bankomaten auf die Probe. Er spuckte brandneue Eurogeldscheine aus und wir stießen alle zusammen auf die neue europäische Währung an.
Größte Währungsumstellung
Dieser ganz private Augenblick war ein winziges Detail der größten Währungsumstellung, die es jemals auf der Welt gegeben hat – und das Eurowährungsgebiet ist seitdem stetig gewachsen. Aus den zwölf Staaten sind 19 geworden. Mehr als 340 Millionen Menschen in Europa teilen mittlerweile – ungeachtet ihrer Sprache, Kultur oder nationalen Grenzen – eine gemeinsame Währung. Der Euro hat uns als Europäerinnen und Europäer geeint. Auf die Frage, was die Bürgerinnen und Bürger mit der Europäischen Union verbinden, antworteten bei der jüngsten Eurobarometer-Umfrage 41 Prozent: der Euro! Damit rangiert unsere einheitliche Währung hinter dem freien Personenverkehr auf Platz zwei.
Europa und der Euro sind mittlerweile untrennbar verbunden. Junge Europäerinnen und Europäer, die nur die Gemeinschaftswährung kennen, können sich ein Europa ohne sie vermutlich kaum vorstellen. Noch nie war der Rückhalt für den Euro so groß wie 2021: Der jüngsten Eurobarometer-Umfrage zufolge unterstützen aktuell 78 Prozent der Menschen in Europa den Euro. Wenn ich über den Euro nachdenke, kommen mir die Betriebe und Familienunternehmen in den Sinn, denen die Vorteile des Euro und unseres Binnenmarkts zu geschäftlichem Erfolg verholfen haben. In den Jahren von 1990 bis 2002 hatte der Handel zwischen den späteren Euroländern um nicht einmal fünf Prozent zugenommen; seit Einführung des Euro waren es fast 200 Prozent.
Wenn die Menschen reisen, entfallen sowohl der lästige Geldumtausch als auch die Kosten dafür. Und wenn sie im Ausland studieren oder arbeiten, spielen unterschiedliche Währungen keine Rolle.
Besser gegen Krisen gewappnet
Zweifellos hat der Euro uns widerstandsfähiger gemacht. Seit Einführung der einheitlichen Währung sind wir besser gegen Krisen gewappnet. Die jüngsten wirtschaftlichen Schocks wären noch verheerender ausgefallen, hätte der Euro nicht für mehr Stabilität und eine stärkere Integration unseres Binnenmarkts gesorgt. In schwierigen Zeiten wie der Pandemie hat die gemeinsame Währung entscheidend dazu beigetragen, die Maßnahmen in Europa zu koordinieren.
Die Europäische Zentralbank ist die Hüterin des Euro – und wir setzen alles daran, unsere Währung zu schützen. Zu unseren Aufgaben zählt es, die Sicherheit unserer Banknoten zu gewährleisten. Genauso ist es unsere Pflicht, ergänzende Zahlungsformen wie einen digitalen Euro zu prüfen.
Neues Design für den Euro
Nun werden wir unseren Banknoten zum ersten Mal ein neues Design geben. Sie sollen sicher und innovativ bleiben. Gleichzeitig sollen sie erneuert werden, damit sich die Europäerinnen und Europäer unabhängig von Alter oder Hintergrund besser mit ihnen identifizieren können. Zum Thema und zum Design der neuen Banknoten werden wir die Bürgerinnen und Bürger um Feedback bitten. Das endgültige Ergebnis werden wir 2024 veröffentlichen und anschließend die Ausgabe der neuen Banknoten planen.
Vor zwanzig Jahren, in dieser kalten Nacht in der Normandie, konnte ich natürlich nicht ahnen, dass es einmal meine Aufgabe sein würde, den Wert des Euro zu sichern. Mit meiner Unterschrift auf den Banknoten, die Sie tagtäglich benutzen, habe ich mich aber genau dazu verpflichtet. Meine Unterschrift steht für das Versprechen, mich um eines der wertvollsten Symbole der europäischen Einheit zu kümmern.
So lassen Sie uns noch einmal anstoßen: auf den zwanzigsten Geburtstag unserer Eurobanknoten!
Christine Lagarde