"Natürlich berührt mich das auch emotional“ – für einen Moment blitzte an diesem Junitag auch eine Gefühlsregung durch. Siegfried Wolf war am Ziel und hatte soeben den Zuschlag für die Übernahme des – von der Schließung bedrohten – MAN-Werks in Steyr erhalten.Vorangegangen war diesem Durchbruch ein äußerst zähes Ringen. Noch im April hatte die damals fast 2400-köpfige Belegschaft dem gebürtigen Steirer eine gehörige Abfuhr erteilt – fast zwei Drittel hatten sich gegen Wolfs Übernahmeplan ausgesprochen. Eine krachende Niederlage, die der bestens vernetzte Strippenzieher zwar mit den Worten, „ich bin nicht enttäuscht, ich bin immer Realist“, quittierte. Die Enttäuschung war ihm aber anzumerken, ebenso wie die Erleichterung, als es im Juni dann doch noch klappte. Die standortpolitische Nervenschlacht um den MAN-Kauf hätte Wolf, hemdsärmelig wie machtbewusst, ohnehin einen Fixplatz in wirtschaftspolitischen Jahresrückblicken beschert.
Doch die vergangenen Tage haben die facettenreiche, erfolgreiche, bisweilen aber auch sehr kontroversiell anmutende Karriere des Siegfried Wolf um ein unrühmliches Kapitel reicher gemacht. Wie berichtet, hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eröffnet, das sich neben dem früheren Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid sowie eine Finanzbeamtin auch gegen Wolf richtet. Es geht um den Verdacht der Bestechung bzw. der Bestechlichkeit. Der Fall liegt schon länger zurück, die zugrunde liegenden Chats, auf die Ermittler gestoßen waren und die u. a. von „Profil“ veröffentlicht wurden, offenbaren ein verheerendes Bild, das einen krassen Gegensatz zur weltläufigen Laufbahn Wolfs – u. a. mit direktem Draht zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin – aufzeigt. Knapp zusammengefasst, geht es um den Vorwurf, dass Schmid dafür gesorgt haben soll, Wolf einen üppigen und wohl ungerechtfertigten Nachlass von letztlich fast 630.000 Euro auf eine fällige Steuernachzahlung zu ermöglichen. Wolf soll dafür auf die zuständige Finanzbeamtin eingewirkt haben, dieser soll im Gegenzug eine Beförderung in Aussicht gestellt worden sein. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Treffen an der Autobahnraststätte
Besonders pikant: Der millionenschwere Investor Wolf soll sich laut Chatprotokollen direkt mit besagter Finanzbeamtin getroffen haben – und das auf einer Autobahnraststätte in Niederösterreich („11.30 Raststätte Guntramsdorf? Passt dir das? Sigi“ – so der Wortlaut im Chatprotokoll).
Klingt nach Provinzposse statt Weltbühne – die Vorwürfe wiegen freilich schwer. Und sie lenken, nicht zum ersten Mal, den Lichtkegel auf Wolfs Nahverhältnis zur türkisen ÖVP unter Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und dessen Umfeld. Wolf hatte erst vor wenigen Tagen, noch vor den ersten Berichten über die Causa im „Falter“, in einer Aussendung seines Pressesprechers Josef Kalina festhalten lassen, dass er „niemals an die ÖVP, Sebastian Kurz oder eine Vorfeldorganisation gespendet habe“. Doch Wolf hatte sich früh – bereits vor dem Machtwechsel innerhalb der ÖVP – für Kurz starkgemacht. Auch als Chef der 2019 neu aufgestellten Staatsholding ÖBAG war Wolf, der diese Position schon einige Jahre davor bei der Vor-Vorgänger-Holding ÖIAG innehatte, im Gespräch. Kurz selbst hatte im September davon gesprochen, dass er mit Wolf freundschaftlich verbunden sei und von diesem immer wieder in wirtschaftspolitischen Fragen beraten werde.
„Kümmere mich darum“
Der „Standard“ berichtete am Mittwochabend noch von weiteren Chats, die zeigen sollen, wie intensiv Wolf im Finanzministerium in Bezug auf seine Steuernachzahlung interveniert habe. Auch mit dem damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), gegen den aber nicht ermittelt wird, sei er in der Sache regelmäßig in Kontakt gewesen, bis weit nach Schellings Amtszeit. Im September 2016 informierte ihn Wolf, dass er mehrfach mit Schmid geredet habe. „Kümmere mich darum“, antwortete der damalige Finanzminister, heißt es in dem Bericht.
Neo-Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat nach den Razzien in dieser Woche bereits klargemacht: Sollte es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein, „muss das abgestellt werden“. Er sichere „volle Kooperation mit der Justiz“ zu.
Wolf selbst will die Causa – mit Hinweis auf das laufende Verfahren – als Beschuldigter weiterhin nicht kommentieren, wie Sprecher Kalina betont.