Aus Sicht der Regulierungsbehörde E-Control ist das „Ende der Fahnenstange“ bei der Preisentwicklung noch nicht erreicht. Vor einer „weiteren Belastungswelle, die auf viele private Haushalte zurollt“, warnt die Arbeiterkammer. Und auch in der Wirtschaft sorgen die rasant gestiegenen Energiepreise für Kopfzerbrechen, Industrie-Präsident Georg Knill hatte zuletzt von teilweise existenzbedrohenden Preissteigerungen gesprochen.
Seit Monaten klettern die Großhandelspreise für Strom und Gas im Eilzugstempo nach oben. Viele Versorger, darunter auch die Energie Steiermark und die Kelag, geben Erhöhungen nun weiter und haben Tarifanpassungen angekündigt.
Arbeiterkammer fordert höhere Heizkostenzuschüsse
Die AK pocht nun auf ein Maßnahmenpaket von Bund, Ländern und Energieversorgern. Unter anderem werden ein Recht auf Ratenzahlung, höhere Heizkostenzuschüsse der Länder und eine zeitlich befristete Reduktion der Umsatzsteuer für Strom und Gas auf zehn Prozent gefordert. Die wichtigste Maßnahme in der kalten Jahreszeit sei aber ein Abschaltverzicht bei länger ausstehenden Rechnungen, damit niemand in den eigenen vier Wänden friere, so die Leiterin der AK-Abteilung Wirtschaftspolitik Christa Schlager. Dafür brauche es dringend eine Branchenvereinbarung, der Verzicht müsse bis zum Ende der Heizperiode im Frühjahr 2022 bestehen bleiben, so Schlager.
Industrie-Präsident Knill regte in der Vorwoche in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ einen Überbrückungsfonds an. Um den Betrieben zu helfen, müsse es „kurzfristig ähnlich wie beim Covid-19-Härtefall-Fonds einen Überbrückungsfonds für Härtefälle bei der Liquidität geben“. Darüber hinaus könnten die Steuern und Abgaben für Energie überdacht werden. Seit Jahresbeginn sind die Großhandelspreise für Gas und Strom rasant gestiegen.
Verantwortlich für den Preisschub bei Strom waren Verteuerung bei Gas, Kohle und den CO₂-Zertifikaten, so die E-Control. Wie stark Großhandelspreise Niederschlag auf Energierechnungen von Kunden finden, hängt von mehreren Faktoren ab, vor allem auch von der Einkaufs- und Absicherungsstrategie der Versorger. Von der gesamten Stromrechnung entfällt ungefähr je ein Drittel auf die reine Energie, den Netztarif sowie Steuern und Abgaben.
Stromnetztarife steigen
Stichwort Netztarife. Diese – von der Regulierungskommission der E-Control festgelegten – Entgelte steigen Anfang Jänner im Schnitt um rund neun Prozent. Regional sind die Veränderungen unterschiedlich – begründet durch eine verschiedene Investitionstätigkeit der Netzbetreiber für die Erneuerung des bestehenden Leitungsnetzes und Investitionen. In der Steiermark liegt das Plus zum Jahr 2021 bei 9,6 Prozent (Graz: plus 10,6 Prozent), in Kärnten bei 7,3 Prozent (Klagenfurt: 11,3 Prozent).
Gasnetzentgelt sinkt in Kärnten und der Steiermark
Die Gasnetzentgelte steigen in sechs von neun Bundesländern – nicht so in Vorarlberg, der Steiermark (minus 2,2 Prozent) und Kärnten (minus 0,44 Prozent). Als Entlastungsmaßnahme entfällt für 2022, wie berichtet, der Erneuerbaren-Förderbeitrag (im Schnitt 67 Euro) sowie die Zählpunkt-Förderpauschale (42 Euro). Damit wird ein Durchschnittshaushalt gegenüber 2021 um rund 110 Euro im Jahr entlastet. Das sieht ein Initiativantrag von ÖVP, SPÖ und Grünen vor, der im Jänner im Parlament beschlossen werden soll.
Ein schnelles Abflachen der Preiskurven wird indes nicht erwartet. „Ich sehe aufgrund des Zusammenspiels von Fundamentaldaten und Spekulation keine rasche Trendwende bei den Energiepreisen“, sagt etwa Eveline Steinberger-Kern. Die frühere Verbund- und Siemens-Managerin ist Geschäftsführerin des Online-Portals Energy Hero, ein automatischer Wechselservice für Strom und Gas. Steinberger-Kern ist seit Anfang der 2000er-Jahre in der Energiebranche tätig und betont: „Einen derart rasanten Preisanstieg wie diesen habe ich so noch nicht gesehen.“ Die Entwicklung habe aber auch dafür gesorgt, dass „das Thema Energie in der breiten Masse angekommen ist“. Das spiegle sich auch beim Interesse an einem Anbieterwechsel wider.
Transformationsprozess bietet auch Chancen
Bei Energy Hero verzeichne man derzeit „mindestens doppelt so viele Anfragen, als es sonst zu dieser Zeit üblich ist“, so Steinberger-Kern. Auch wenn die möglichen Ersparnisse durch den Anbieterwechsel im Vergleich zu den Vorjahren bzw. Vormonaten stark gesunken seien, sollten „Kunden den Markt immer wieder beobachten – spätestens, wenn sie eine Preiserhöhung ihres Anbieters erhalten“. Da die 200 Energieanbieter mit ihren rund 3500 Produktangeboten in Österreich „zueinander im Wettbewerb stehen, hat sich seit der Marktliberalisierung eine breite Produktlandschaft ergeben, die zahlreiche Vorteile für Konsumenten bringt“. Diese müsse – Stichwort Anbieterwechsel – aber auch genutzt werden, so ihr Appell.
Insgesamt blicke man trotz der vielen Unsicherheitsfaktoren „positiv in die Zukunft“, so Steinberger-Kern. „Der Energiemarkt befindet sich in einem großen Transformationsprozess, der zwar Preisanpassungen und Unsicherheiten mit sich bringt, jedoch auch wieder mehr Wettbewerb, der sicher auch für Konsumenten zahlreiche neue Möglichkeiten bietet.“