Die Europäische Zentralbank (EZB) wagt die schrittweise Abkehr vom Krisenmodus und lässt ihr billionenschweres Pandemie-Notprogramm PEPP auslaufen. Der EZB-Rat beschloss am Donnerstag das Aus für die Nettoanleihenzukäufe für Ende März 2022. Fällige Tilgungsbeträge sollen jedoch noch bis mindestens Ende 2024 reinvestiert werden. Im kommenden ersten Quartal werden die Zukäufe noch fortgesetzt - allerdings in niedrigerem Tempo als Ende 2021.
Damit es nach dem Entzug der auf 1,85 Billionen Euro angelegten Krisenhilfe im Frühjahr nicht zu Marktturbulenzen kommt, schafft die EZB über das neu justierte kleinere Ankaufprogramm namens APP einen Übergang: Die Ankäufe im Volumen von zuletzt 20 Milliarden Euro pro Monat werden im zweiten Quartal 2022 auf 40 Milliarden Euro verdoppelt, im dritten Quartal dann auf 30 Milliarden Euro zurückgefahren. Ab Oktober kommenden Jahres soll das Ankauftempo dann auf 20 Milliarden Euro gesenkt und so lange beibehalten werden, wie es zur Förderung der Konjunktur notwendig ist.
Teuerung bleibt hoch
Dieses im EZB-Jargon als Asset Purchase Programme (APP) bekannte Instrument war bereits Mitte vorigen Jahrzehnts als Konjunkturstütze eingeführt worden. Die schrittweise Abkehr vom Krisenmodus vollzieht sich vor dem Hintergrund rasant steigender Preise. Die Teuerung erreichte im November in der Eurozone ein Rekordniveau von 4,9 Prozent.
Den Leitzins von 0,0 Prozent beließ der EZB-Rat nun wie erwartet auf dem rekordniedrigen Niveau. Die britische Notenbank hat hingegen kurz vor dem EZB-Ratsbeschluss überraschend die Zinswende eingeleitet. Auch der Einlagensatz bleibt im Euroraum bei minus 0,5 Prozent. Die Banken müssen daher weiterhin Strafzinsen berappen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken.
Ein Ende der Nullzinsphase werde es erst geben, nachdem die Anleihenkäufe eingestellt werden, bestätigt EZB-Präsidentin Christine Lagarde bei der Pressekonferenz nach der Zinssitzung. Da die Volumen für diese Programme für das Jahr 2022 bereits bekannt sind, bleibt ein Anheben der Zinsen im Jahr 2022 unwahrscheinlich. Damit reagiert die EZB deutlich anders als die US-Notenbank oder die britische. Die Bank of England hat ihre Zinsen erhöht und die FED wird die Anleihenkäufe im kommenden Jahr einstellen und Zinsen erhöhen.
Lagarde betont allerdings, dass die EZB derzeit von einer hohen Unsicherheit ausgeht und daher in allen Instrumenten flexibel bleiben wolle. Eine Änderung der aktuellen Politik könnte daher auch schon 2022 geschehen.
Preise beruhigen sich erst 2023
Denn das einzige Ziel der EZB ist ja bekanntlich Preisstabilität. Diese definiert die Notenbank bei einer mittelfristigen Inflation von 2,0 Prozent. Allerdings gehen die EZB-Volkswirte davon aus, dass die Teuerung im kommenden Jahr im Durchschnitt 3,2 Prozent betragen wird. Wobei Lagarde betont, dass der Wert gegen Ende des Jahres sinken sollte. Das bedeutet freilich hohe Teuerungsraten zu Beginn 2022. In den Jahren 2023 und 2024 wird sich die Inflation laut den Prognosen bei 1,8 Prozent einpendeln.
Lagarde spricht jedoch von zwei großen Unsicherheitsfaktoren: Die Energiepreise, sie machen die Hälfte der Teuerung aus, und die Lieferengpässe. Hier ist es unklar, wie sich die Lage im kommenden Jahr entwickeln werde. Derzeit rechne die EZB hier mit einer Entspannung. Sicher sei das jedoch nicht.
Griechenland
Deshalb will die EZB die Flexibilität, die das Pandemie-Anleihenkaufprogramm PEPP hatte beibehalten. Einkünfte und Rückzahlungen werden ja bis 2024 wieder reinvestiert und auch das normale Anleihenkaufprogramm läuft weiter. Und hier gibt Lagarde auch eine Warnung an etwaige Spekulanten ab. Denn die EZB stehe bereit, weiter in griechische Anleihen zu investieren, sollte das Land am freien Markt keine ordentlichen Bedingungen bekommen.
Roman Vilgut