Durch die ab 1. Februar 2022 geplante gesetzliche Impflicht wird sich an den Pflichten von Arbeitgebern unmittelbar nichts ändern, meint die Arbeitsrechtsexpertin Karin Buzanich-Sommeregger. "Die Impfpflicht würde nicht automatisch unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis durchschlagen, sondern der Arbeitgeber muss sagen, was er an seinem Arbeitsplatz haben will. Das ist sein Recht als Arbeitgeber."

Eine gesetzliche 2G-Pflicht am Arbeitsplatz wäre eine sehr weitgehende Maßnahme, sagt Buzanich-Sommeregger, Partnerin am Wiener Standort der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Positiv wäre aber eine Klarstellung, dass Arbeitgeber 2G anordnen dürfen. Durch die gesetzliche Impfpflicht werde es jedenfalls einfacher für Unternehmen, strengere Corona-Schutzmaßnahmen im Betrieb zu argumentieren.

"Viele fragen sich: Warum regelt der Gesetzgeber das im Arbeitsrecht nicht gleich mit?", sagte die Juristin. Dafür gebe es zwei sehr handfeste Gründe: Zum einen werde die Impfpflicht in einem sehr kurzen Gesetzestext geregelt, "das ist aus meiner Sicht für eine Demokratie auch gut so, dass man möglichst keine Überregelung schafft und dass es eine möglichst klare Anordnung ist". Andererseits sei es auch seine "sehr delikate Frage, wie viel der Gesetzgeber dem privaten Arbeitgeber in der Privatwirtschaft vorschreiben soll".

"Ungewöhnliche Situation"

Für eine allgemein verbindliche Regelung würde sprechen, dass den Arbeitgebern dadurch eine Entscheidung abgenommen würde. Die Diskussion habe es schon bei 3G gegeben. "Das war am Anfang auch nicht verpflichtend am Arbeitsplatz." Von vielen Arbeitgebern werde es aber als Erleichterung gesehen, dass sie die Maßnahme nun nicht selbst gegenüber ihren Arbeitnehmern verantworten müssten. Die Kehrseite sei, dass Arbeitgeber verwaltungsrechtlich bestraft werden könnten, wenn ihre Mitarbeiter keine 3G-Nachweise haben. Das sei eine ungewöhnliche Situation, schließlich würden Arbeitgeber ja auch nicht zur Verantwortung gezogen, wenn ihre Mitarbeiter zu schnell fahren oder falsch parken. "Ein drastisches Beispiel wäre: Man darf auch niemanden bestehlen oder eine Körperverletzung zufügen – das ist verboten und das wird auch bestraft, aber es heißt nicht, dass ich niemanden einstellen darf, der sowas macht."

In den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf für die Impfpflicht werde im Übrigen auch auf Maßnahmen aufgrund einer Verordnung nach dem Corona-Maßnahmengesetz verwiesen, die auch Regelungen über Arbeitsorte umfassen und ebenfalls zu beachten seien. Auch die derzeitigen Bestimmungen seien nicht in einem arbeitsrechtlichen Gesetz geregelt, sondern in den Covid-19-Schutzmaßnahmen-Verordnungen, die der Gesundheitsminister festlegt. "Dort steht momentan: Am Arbeitsplatz gilt 3G, und strengere Maßnahmen darf ich als Arbeitgeber in begründeten Fällen erlassen." Diese Verordnung gelte vorerst bis 21. Dezember.

Fürsorgepflicht

Grundsätzlich sei es so, dass auch jetzt schon eine Verordnung gar nicht notwendig wäre, damit Arbeitgeber in ihren Betrieben 3G vorschreiben dürfen, denn sie seien ja auch verpflichtet, ihre Arbeitnehmer vor einer Ansteckung zu schützen. "Das nennt man im Arbeitsrecht Fürsorgepflicht, und die gilt absolut." Diese Pflicht werde weder durch die Impfpflicht noch durch die Verordnungen geändert, letztere helfe den Arbeitgebern aber in der Argumentation, weil sie auf das Gesetz bzw. die Verordnungen verweisen könnten.

Schwangere sollen nach den derzeitigen Plänen von der gesetzlichen Impfpflicht ausgenommen werden. Falls aber der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht 2G am Arbeitsplatz vorschreiben würde – was er "in begründeten Fällen" auch jetzt schon dürfte –, dann hätte eine schwangere Frau das Problem, vielleicht schon sehr frühzeitig ihre Schwangerschaft bekannt geben zu müssen, wenn sie sich nicht impfen lassen wolle.

Wenn sich Arbeitnehmer an die Vorgaben in ihren Betrieben nicht halten, könne das Unternehmen auch Konsequenzen ziehen, das reiche von Verwarnungen über Entgeltkürzungen oder -aussetzungen bis hin zu Kündigungen. "Ich glaube, es wird selten so sein, dass wenn der Mitarbeiter das erste Mal erwischt wird ohne einen 2G-Nachweis, dass er dann gleich gekündigt wird. Man wird ihn verwarnen müssen."

Schadenersatzforderung?

Schadenersatzforderungen gegenüber Unternehmen, deren Mitarbeiter z.B. Kunden mit Corona anstecken, dürften eher nur eine theoretische Möglichkeit sein, denn es müsste auch klar nachgewiesen werden, dass die Ansteckung durch den betreffenden Mitarbeiter erfolgt sei. "Ein Schadenersatzanspruch besteht in Österreich grundsätzlich nur dann, wenn das Verhalten dessen, der Schadenersatz leisten soll, kausal war. Wenn das nicht einwandfrei ist in der Kausalitätskette, greift der Schadenersatzanspruch normalerweise nicht." Allerdings gebe es auch das Prinzip einer verschuldensunabhängigen Schadenersatzhaftung, etwa für Erhalter von Bahnstrecken oder Skipisten, weil sich durch diese Anlagen die Gefahr überhaupt erst eröffnet habe.