Die EU-Kommission will sich die Scheinselbstständigkeit vorknöpfen. Am Donnerstag stellte die EU-Kommission einen Gesetzesentwurf vor, der Mitarbeitern von Online-Plattformfirmen wie Uber oder Mjam - sogenannten Gig-Workers - mehr Rechte zuspricht. Demnach müssten die Unternehmen Fahrer, für die sie Verhaltensregeln aufstellen und die Bezahlung festlegen, als Angestellte beschäftigen und ihnen damit bezahlten Urlaub, Pensionsansprüche und Mindestlohn gewähren.
Dies solle auch der Fall sein, wenn Arbeitgeber Arbeitszeiten vorgeben oder es Mitarbeitern verwehren, zusätzlich für andere Firmen tätig zu sein. Der Gesetzesentwurf muss nun mit den EU-Ländern und -Abgeordneten abgestimmt werden.
Millionen Betroffene
Die Arbeit über digitale Plattformen hat zuletzt stark zugenommen. Nach Angaben der EU-Kommission arbeiten derzeit mehr als 28 Millionen Menschen in der EU auf diesem Weg, 2025 sei schon mit etwa 43 Millionen Beschäftigten zu rechnen. "Da immer mehr Arbeitsplätze durch digitale Plattformen geschaffen werden, brauchen wir menschenwürdige Arbeitsbedingungen für alle, die ihr Einkommen aus dieser Arbeit beziehen", erklärte die für Digitales zuständige EU-Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager.
"Viel zu oft verrichten Beschäftigte solcher Plattformen ihre Arbeit scheinselbstständig, schlecht bezahlt und schlecht abgesichert, ohne Anspruch auf Gehaltsfortzahlung bei Krankheit oder im Urlaub", so die EU-SPÖ-Abgeordnete Evelyn Regner in einer Aussendung. Für sie sei der Gesetzesvorschlag "lange überfällig". Regner warnte gleichzeitig: "Ein Bot kann und darf keine Vorgesetzten ersetzen."
Urlaub und Krankengeld
Auch die Arbeiterkammer reagierte erfreut auf den Entwurf. "Der Richtlinienentwurf macht Beschäftigte von Online-Plattformen zu vollwertigen ArbeitnehmerInnen mit arbeitsrechtlichen Ansprüchen auf Mindestentgelt, Urlaubs- und Krankengeld, Mitbestimmung, sowie mit sozialer Absicherung. Dies ist ein großer Teilerfolg für Beschäftigte und ihre Vertretung," so Frank Ey, AK-Experte für Europapolitik.
Der niederländische Konzern Just Eat Takeaway, dem auch die Marke Lieferando gehört, begrüßte den Vorschlag ebenso. "Lieferando zeigt, dass faire Arbeitsbedingungen möglich sind, mit sozialversicherungspflichtig angestellten Fahrer, fairen Löhnen und einer entsprechenden Absicherung", so Lieferando-Geschäftsführerin Katharina Hauke in einer Aussendung. Alle Fahrer in Österreich seien "direkt und regulär" angestellt - "sogar nach Kollektivvertrag für Fahrradboten und mit 14 Gehältern zu übertariflichem Lohn".
Uber dagegen
Uber, Delivery Hero und Co brachten sich unterdessen dagegen in Stellung. Die neuen Vorgaben gefährdeten tausende Jobs und kleine Unternehmen, sagte ein Uber-Sprecher. EU-weite Regeln sollten Flexibilität gewährleisten. Viele Essenslieferdienste und Fahrdienstvermittler arbeiten derzeit mit selbstständig tätigen Fahrern zusammen, was ihnen bereits einige gerichtliche Auseinandersetzungen beschert hat.
Europaweit gab es bereits über hundert Gerichtsurteile zur Frage des Beschäftigtenstatus bei den digitalen Dienstleistern. Weitere hunderte Gerichtsentscheidungen stehen noch aus. In Belgien entschied am Mittwoch ein Gericht, dass eine Gruppe von Deliveroo-Lieferanten nicht als Angestellte gilt. Spanien war im August das erste EU-Land, das Arbeiter der Dienstleistungsplattformen als Angestellte anerkannte.