Dass die Hotels nach 20 Tagen in einigen Bundesländern wieder öffnen dürfen, wird von der Branche mit Erleichterung aufgenommen. "Freude darüber zu empfinden, ginge aber zu weit", sagt ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer, "zu viele Hotels in zu vielen Regionen sind noch im Lockdown". Dass der Lockdown in Wien verlängert wurde, kritisierte die Hotellerie-Chefin als "grundlos".
Die am Mittwoch verkündete Öffnung sei nach den widersprüchlichen Informationen der vergangenen Tage wichtig, sagte Reitterer, dennoch bleibt die Freude getrübt. "Dafür wurde uns in den vergangenen Jahren, Monaten und Wochen zu viel genommen, zumindest der letzte Lockdown hätte verhindert werden können und müssen." Und was noch schwerer wiege: "Zu viele Hotels in zu vielen Regionen sind noch im Lockdown." In den Städten bleibe die Lage für die Hotels sehr schwierig, "vor allem in Wien, wo der Lockdown grundlos verlängert wurde".
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) verwies darauf, dass man sich auf Anraten der Experten nur zu einer schrittweisen Öffnung entschlossen habe. Man folge damit auch der Empfehlung des WHO-Notfallskoordinator für Europa, Gerald Rockenschaub, sagte Ludwig heute, Mittwoch, in der gemeinsamen Pressekonferenz mit der Bundesregierung. Für den Handel wäre eine gleichzeitige Öffnung auch der Gastronomie "schöner und besser" gewesen, "aber das ist genau das, was wir verhindern wollen, dass es eine Konzentration insbesondere vor Weihnachten gibt, wo natürlich die Einkaufslust eine besonders große ist", man wolle aber bewusst eine "Entzerrung von Konsumentenströmen vornehmen". Weiters wolle man auch ein deutliches "Signal setzen, dass die Krise nach wie vor besteht und die Pandemie nach wie vor nicht gemeistert ist."
Verlängerung der niedrigeren Umsatzsteuer gefordert
Volle Unterstützung gibt es von Reitterer für die Sicherheitsmaßnahmen mit 2G und FFP2-Pflicht: "Wir machen das aus voller Überzeugung und stellen damit sicher, dass die Hotels sicher sind." Sie bekräftigte ihre Forderung nach einer Verlängerung der 5-prozentigen Umsatzsteuer. "Jedes andere Hilfsinstrument ist kompliziert, bürokratisch, aufwendig und es gibt Ausnahme um Ausnahme. Die Umsatzsteuer-Senkung hilft punktgenau, wenn wir nicht im Lockdown sind, und ist daher besonders wertvoll."
Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) stellte die gute Nachricht in den Vordergrund, dass Tourismus und Gastronomie unter Beachtung der 2G-Regel grundsätzlich wieder öffnen dürfen. "Der Lockdown für Ungeimpfte bleibt aufrecht. Die Bundesländer können weiter strengere Regeln umsetzen, wenn die Situation es erfordert." Die Gesundheit von Gästen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehe an oberster Stelle, "damit kann die heurige Wintersaison jedenfalls stattfinden."
Bayern, Schweiz, Südtirol ... "Eigentlich alles offen"
Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) begründete die Öffnung von Hotels in Gastronomie in Tirol damit, dass die Pandemie-Welle nun gebrochen sei und dass es nach wie vor scharfe Sicherheitsvorkehrungen gebe. "Die Pandemie ist noch nicht beendet, und ganz besonders werden wir darauf schauen, dass ordentliche Kontrollen gemacht werden." In Bayern, der Schweiz oder Südtirol "ist eigentlich alles offen", sagte Platter. "Da müssen wir natürlich aufpassen, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht in andere Gebiete abwandern, was schon passiert ist." Es werde ein sanfter Start in die Wintersaison sein. "Man wird auch nicht eine Wintersaison haben, wie das früher der Fall war."
"Abweichen nicht nachvollziehbar"
Susanne Kraus-Winkler und Mario Pulker, Obleute der WKÖ-Fachverbände Hotellerie und Gastronomie zeigten sich "verständnislos über die heute verkündeten, sehr unterschiedlichen Öffnungsszenarien". Der Lockdown für Ungeimpfte bleibe bestehen. "Damit reduziert sich der wöchentliche Umsatzverlust des Handels von 900 Millionen auf 350 Millionen Euro pro Woche - immer noch eine immens hohe Summe", die den Händlern letztendlich nicht nur Liquiditätsengpässe beschere und ihre wirtschaftliche Existenz gefährde.
Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, verwies darauf, dass "ein unaufgeregtes Einkaufen mit FFP2-Maske ohne Ansteckungsgefahr absolut möglich" sei. Da der Non-Food-Handel bei einem Lockdown für Ungeimpfte bis zu 30 Prozent seiner Umsätze verliere, seien die heimischen Handelsbetriebe auch nach Ende des Lockdowns am 12.12. auf staatliche Corona-Hilfspakete angewiesen.
Auch für die Wirtschaftskammer-Spitze ist "das Abweichen einiger Bundesländer mit der gewählten Differenzierung zwischen einzelnen Branchen nicht nachvollziehbar". WKÖ-Präsident Harald Mahrer forderte von den Bundesländern, "dass es rasch zu einer Vereinheitlichung der Maßnahmen kommt, weil nur mit klaren und praktikablen Maßnahmen die Pandemie gemeinsam bekämpft werden kann". "Die Folgen der Schließungen sind für die Betriebe und den Wirtschaftsstandort fatal", sagte WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf in einer Aussendung. Jetzt gehe es darum, die Wirtschaftshilfen für die vom Lockdown hart getroffenen Betriebe rasch nachzubessern.
"Es herrscht nach wie vor Perspektivenlosigkeit"
In der Club- und Discoszene herrscht "nach wie vor Perspektivenlosigkeit", beklagte Nachtgastronomiesprecher Stefan Ratzenberger bereits am Dienstag. Nun gehe es endlich darum, "eine Ansage" zu bekommen – etwa wonach man einhergehend mit der Umsetzung der Impfpflicht wieder öffnen darf, forderte er im Gespräch mit der APA. "Wir brauchen Planungssicherheit", so Ratzenberger, der daran erinnerte, dass die Nachtlokale bald – mit einer nur kurzen Unterbrechung – seit zwei Jahren geschlossen haben. Auch er forderte weitergehende staatliche Hilfen. Man rechne damit, schlussendlich mit 2G-plus wieder öffnen zu dürfen. Nur wann – das ist offen.
Der steirische Wirtschaftskammer-Präsident Josef Herk begrüßte die Öffnungsschritte: "Die Politik hat ein Versprechen abgegeben und wir haben es mit Nachdruck eingefordert. Für die betroffenen Branchen war diese Entscheidung überlebenswichtig. Umso mehr sind wir über die Verzögerungen für die Gastronomie und Hotellerie auf Landesebene enttäuscht."
Für den Obmann der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der WKÖ, Robert Seeber, sind die verbliebenen Einschränkungen "teilweise überschießend und die Öffnungsschritte ganz klar hinter den Erwartungen der Branche zurückgeblieben". Die Tourismusbetriebe seien die ersten, die zusperren müssten und die letzten, die öffnen dürfen, "eine sachliche Rechtfertigung dafür gibt es nicht", kritisierte Seeber.
"Bringt unsere Betriebe an den Rand der Belastbarkeit"
Die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer, Renate Scheichelbauer-Schuster, sieht die Öffnungsschritte durch unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern konterkariert. "Wenn wichtige Bereiche wie Gastronomie, Hotellerie und der Veranstaltungssektor in einzelnen Bundesländern geschlossen bleiben, verursacht das enorme Folgeschäden für Zehntausende Zulieferbetriebe, die auf dieses Geschäft angewiesen sind."
Enttäuscht zeigt sich auch Reisebüros-Obmann Gregor Kadanka über die heutigen Ankündigungen. "Wir haben den Zusagen der Politik und auf die Öffnung vertraut, alles gegeben, damit wir Buchungen generieren und Gäste nach Österreich bringen können, und nun soll wieder alles umsonst gewesen sein. Das ist völlig unverständlich und bringt unsere (Incoming-)Betriebe an den Rand der Belastbarkeit."